Ledebour von Kurt Tucholsky

In manchem Saal hast Du gestanden
und hast die Leute uffjeklärt;
und unter Bockbierfestjirlanden,
da ham sie alle zugehört.
 
In manchem Saal, da, wo sie hocken,
da hatten sie zu Dir Vertraun;
und wenn die Brieder wollten bocken,
Du hast sie an die Wand jehaun.
 
Du standst als Mann vor preuß’schen Richtern,
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als Mann im Parlamentsskandal;
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von weitem sah Dich ein Gesicht an:
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Genosse … in so manchem Saal.
 
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Laß mich es Dir auf Hochdeutsch sagen:
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Du gingst den graden Weg der Pflicht.
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Umfielen die aus alten Tagen –
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Du nicht.
 
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Es strahlt Genosse Schulz und Lehmann,
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wenn Exzellenz zu ihnen spricht.
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Du warst kein richtiger SPD-Mann –
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Du nicht!
 
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Da lehnen sie, die weichen Besen.
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So fegt man nicht. Du stehst allein.
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Du bist ein Sozialist gewesen.
24 
Und das hieß einst: ein Kämpfer sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Ledebour“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
133
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ledebour“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem der bedeutendsten Journalisten und Satiriker der Weimarer Republik. Tucholsky lebte von 1890 bis 1935, was eine zeitliche Einordnung des Gedichts in die Zeit zwischen den Weltkriegen ermöglicht.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine Art Hommage an eine Person ist - der Titel weist auf Georg Ledebour hin, welcher ein zu Tucholskys Zeiten sehr bekannter Sozialist und späterer USPD-Politiker war.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um eine Würdigung Ledebours vonseiten des lyrischen Ichs. Dieser Charakter wird als starker, überzeugter und in allen Situationen standhafter Mensch dargestellt. Es wird hervorgehoben, dass er der Mehrheit entgegengetreten ist und auch in Konfrontationen nicht von seinen Überzeugungen abgewichen ist.

Formal zeigt sich das Gedicht als eine sehr freie Form, geprägt von wechselnden Versmaßen und Assoziationen. Sprachlich fällt auf, dass Tucholsky neben Hochdeutsch auch Berliner Dialekt verwendet, um das lyrische Ich authentischer und volksnäher wirken zu lassen. Dies gilt insbesondere für die im Dialekt verfassten Verse, in denen die durchwegs positiven Beschreibungen des sozialistischen Politikers, die von der breiten Öffentlichkeit und dem einfachen Volk Anerkennung finden, einen Kontrast zur Elite darstellen.

Abschließend lässt sich sagen, dass dieses Gedicht von Kurt Tucholsky eine eindeutige politische Position einnimmt. Es ist eine Hommage an einen streitbaren Sozialisten, der sich den herrschenden gesellschaftlichen Kräften entgegenstellte und für seine Überzeugungen einstand. Es dient damit auch der Kritik an der politischen Klasse seiner Zeit, die Tucholsky offenbar als zu wenig entschlossen und kämpferisch ansah.

Weitere Informationen

Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Ledebour“. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1929 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die wichtigsten geschichtlichen Einflüsse auf die Literatur der Weimarer Republik waren der Erste Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 andauerte, und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von Nüchternheit und distanzierter Betrachtung der Welt gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine Alltagssprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Schriftsteller ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland. Die Exilliteratur bildet eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den thematischen Schwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus ausmachen. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das 133 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Die Gedichte „Abschied von der Junggesellenzeit“, „Achtundvierzig“ und „All people on board!“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ledebour“ weitere 136 Gedichte vor.

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