An die Günstigen von Johann Wolfgang von Goethe

Dichter lieben nicht zu schweigen,
Wollen sich der Menge zeigen.
Lob und Tadel muß ja seyn!
Niemand beichtet gern in Prosa;
Doch vertraun wir oft sub Rosa
In der Musen stillem Hain.
 
Was ich irrte, was ich strebte,
Was ich litt und was ich lebte,
Sind hier Blumen nur im Strauß;
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Und das Alter wie die Jugend,
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Und der Fehler wie die Tugend
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Nimmt sich gut in Liedern aus.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An die Günstigen“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
69
Entstehungsjahr
1800
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „An die Günstigen“ stammt von Johann Wolfgang von Goethe, einem der bekanntesten und wichtigsten Dichter der deutschen Literaturgeschichte. Eine genaue zeitliche Einordnung ist schwierig, da Goethe sein Leben lang literarisch tätig war, jedoch lässt seine Wahl der klassischen sechszeiligen Strophenform und die thematische Ausrichtung auf die Tätigkeit und Rolle des Dichters auf eine Entstehungszeit im Rahmen der literarischen Klassik schließen.

Im ersten Eindruck drückt das Gedicht eine gewisse Nachdenklichkeit aus, eine Reflexion über das Dichtertum und die öffentliche Wahrnehmung des Dichters. Es ist in zwei Strophen zu je sechs Versen aufgeteilt und besticht durch einen klaren, einfachen Sprachduktus, der jedoch tiefgehende Gedanken transportiert.

Inhaltlich kreist das Gedicht um das Verhältnis des Dichters zu seiner Öffentlichkeit und seiner Kunst. Es kommt zum Ausdruck, dass Dichter dazu neigen, ihre Gedanken und Gefühle öffentlich zu machen („Dichter lieben nicht zu schweigen, / Wollen sich der Menge zeigen“). Dies führt zu einer zwangsläufigen Konfrontation mit Lob und Tadel, welche der Dichter als notwendigen Teil seines Schaffensprozesses akzeptiert. Gleichzeitig besteht jedoch auch ein Bedürfnis nach privatem Ausdruck, der nur im „stillen Hain“ der Musen, also ohne öffentliches Publikum, zur Entfaltung kommen kann („Doch vertraun wir oft sub Rosa / In der Musen stillem Hain“).

In der zweiten Strophe reflektiert das lyrische Ich seine eigene Dichterkarriere. Erfolge und Misserfolge, Leidenschaften und Leiden, Jungsein und Altern, Fehler und Tugenden – all dies wird im Gedicht zum „Blumenstrauß“, zur poetischen Geste verarbeitet. Dieses Verarbeiten von persönlichen Erlebnissen und Gefühlen in der Dichtkunst wird als ein Mittel dargestellt, dass diese Aspekte des Lebens besser wirken lässt („Und der Fehler wie die Tugend / Nimmt sich gut in Liedern aus“).

Formal ist das Gedicht relativ streng gestaltet, mit jeweils sechs Versen pro Strophe. Es besitzt keinen offensichtlichen Reimschema, was der reflektierenden, eher ernsten Stimmung des Textes entspricht. Die Sprache ist gekennzeichnet durch eine Mischung aus eher allgemeinen, fast philosophischen Aussagen und konkreter, bildhafter Sprache, die auf persönliche Erfahrungen und Emotionen des lyrischen Ichs hinweist.

Insgesamt handelt es sich bei „An die Günstigen“ um ein intensives, tiefgründiges Gedicht, das den komplexen Prozess des Dichtens und die damit verbundene öffentliche und private Selbstreflexion des Dichters beleuchtet. Es veranschaulicht Goethes Fähigkeit, komplexe Themen in zugänglicher, präziser Sprache und Form zum Ausdruck zu bringen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Günstigen“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. 1800 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Goethe, Schiller und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die wichtigsten Themen. Die Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Klassik wird eine einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen (Sentenzen) sind oftmals in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich oftmals an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die bedeutenden Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Andere bekannte Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 69 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 12 Versen. Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An Annetten“, „An Belinden“ und „An Lida“. Zum Autor des Gedichtes „An die Günstigen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1618 Gedichte veröffentlicht.

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