Lebenslied von Hugo von Hofmannsthal

Den Erben laß verschwenden
An Adler, Lamm und Pfau
Das Salböl aus den Händen
Der toten alten Frau!
Die Toten, die entgleiten,
Die Wipfel in dem Weitem –
Ihm sind sie wie das Schreiten
Der Tänzerinnen wert!
 
Er geht wie den kein Walten
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Vom Rücken her bedroht.
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Er lächelt, wenn die Falten
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Des Lebens flüstern: Tod!
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Ihm bietet jede Stelle
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Geheimnisvoll die Schwelle;
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Es gibt sich jeder Welle
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Der Heimatlose hin.
 
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Der Schwarm von wilden Bienen
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Nimmt seine Seele mit;
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Das Singen von Delphinen
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Beflügelt seinen Schritt:
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Ihn tragen alle Erden
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Mit mächtigen Gebärden.
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Der Flüsse Dunkelwerden
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Begrenzt den Hirtentag!
 
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Das Salböl aus den Händen
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Der toten alten Frau
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Laß lächeln ihn verschwenden
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An Adler, Lamm und Pfau:
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Er lächelt der Gefährten. –
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Die schwebend unbeschwerten
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Abgründe und die Gärten
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Des Lebens tragen ihn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Lebenslied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
132
Entstehungsjahr
1896
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das von dir ausgewählte Gedicht stammt von Hugo von Hofmannsthal, einem österreichischen Schriftsteller, der von 1874 bis 1929 lebte. Hofmannsthal ist ein bedeutender Vertreter der literarischen Strömung des Symbolismus und der Wiener Moderne; sein Werk fällt in den Übergang zwischen 19. und 20. Jahrhundert.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sinnlich und lebensbejahend. Die Natur und ihr Zyklus von Geburt und Tod werden als positiv und erfüllend dargestellt. Der Tod wird dabei nicht als Ende, sondern als Teil des Lebens gesehen.

Im Inhalt geht es um das lyrische Ich, das den Umgang mit den Erbschaften des Lebens beschreibt. Es wird gezeigt, wie das lyrische Ich diese „Erben“ - fruchtbar und lebensspendend wie „Adler, Lamm und Pfau“ oder das „Salböl aus den Händen der toten alten Frau“ - wertschätzt und genießt. Es ist kein Anzeichen von Angst oder Bedrohung zu erkennen, sondern ein deutlicher Ausdruck der Freude am Leben und an den Wundern der Natur. Auf den Tod wird mit einem Lächeln reagiert, ein Zeichen der Akzeptanz und Findung von Bedeutung in jedem Aspekt des Lebens.

Formal besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen, was eine klare, geordnete Struktur schafft. Die Sprache ist bildreich und metaphorisch, voller positiver und lebendiger Bilder, wie der „Schwarm von wilden Bienen“, das „Singen von Delphinen“ und die Bewegungen der Erde. Es gibt ein wiederkehrendes Motiv des „Lächelns“, das das lebensbejahende und positive Thema des Gedichts stärkt, und des „Salböls“, das als Symbol für das Erbe und die Kontinuität des Lebens dient.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Hofmannsthals „Lebenslied“ eine Ode an das Leben und seine Zyklen ist, in der der Tod nicht als Ende, sondern als integraler und wertvoller Teil des Ganzen betrachtet wird. Es feiert die naturgegebene Schönheit und die Fähigkeit, Freude, Sinn und Zugehörigkeit auch in der Vergänglichkeit zu finden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Lebenslied“ ist Hugo von Hofmannsthal. 1874 wurde Hofmannsthal in Wien geboren. Im Jahr 1896 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei Hofmannsthal handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 132 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Gedichte „Der Jüngling in der Landshaft“, „Der Kaiser von China spricht“ und „Der Schiffskoch, ein Gefangener, singt“ sind weitere Werke des Autors Hugo von Hofmannsthal. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lebenslied“ weitere 40 Gedichte vor.

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