Lebensfahrt von Wilhelm Busch

Lange warst du im Gedrängel
Aller Dinge tief versteckt,
Bis als einen kleinen Bengel
Unser Auge dich entdeckt.
 
Schreiend hast du Platz genommen,
Zum Genuß sofort bereit,
Und wir hießen dich willkommen,
Pflegten dich mit Zärtlichkeit.
 
Aber eh du recht empfunden,
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Was daheim für Freuden blühn,
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Hast dein Bündel du gebunden,
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Um in fremdes Land zu ziehn.
 
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Leichte lustige Gesellen
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Finden sich an jedem Ort.
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Weiber schelten, Hunde bellen,
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Lachend zogst du weiter fort.
 
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Sahst die Welt an beiden Enden,
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Hast genippt und hast genascht.
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Endlich fest mit Klammerhänden
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Hat die Liebe dich erhascht.
 
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Und du zogst den Kinderwagen,
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Und du trugst, was dir bestimmt,
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Seelenlast und Leibesplagen,
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Bis der Rücken sich gekrümmt.
 
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Nur Geduld. Es steht ein Flieder
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An der Kirche grau und alt.
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Dort für deine müden Glieder
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Ist ein kühler Aufenthalt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Lebensfahrt“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
134
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Lebensfahrt“ wurde von Wilhelm Busch, einem bekannten deutschen Dichter und Zeichner aus dem 19. Jahrhundert, verfasst. Es ist demzufolge der Epoche des Realismus oder Biedermeier zuzuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht wie eine Erzählung, eine Chronik des Lebens von der Geburt bis zum Tod, erzählt in einer einfühlsamen, doch schonungslos realistischen Weise.

Das lyrische Ich beginnt mit der Geburt des Protagonisten, dem „kleinen Bengel“, der „lange ... im Gedrängel aller Dinge tief versteckt“ war und der mit Schreien und sichtbarem Lebenshunger seine Existenz beansprucht. Der Protagonist wird liebevoll aufgenommen und gepflegt, doch bevor er seine Heimat richtig kennengelernt hat, zieht er schon in die Fremde (Strophe 3). Dort trifft er auf fröhliche Gesellen, erfährt aber auch Ablehnung und Verspottung (Strophe 4). Er genießt das Leben, nascht, nippt und wird schließlich „von der Liebe erhascht“ (Strophe 5). Die Folge sind Kinder und die anstrengende Verantwortung des Familienlebens und der Arbeit (Strophe 6). Am Ende des Lebens wartet der Tod, symbolisiert durch den „Flieder an der grauen alten Kirche“ (Strophe 7).

Das Gedicht ist in einer klassischen, gereimten Form gehalten, mit jeweils vier gebundenen Versen pro Strophe, und ist in einem einfühlsamen aber klaren Ton geschrieben. Die Sprache ist realistisch und unverschnörkelt, was sich in direkten, bildkräftigen Formulierungen zeigt („Hunde bellen, Weiber schelten“, „Hast genippt und hast genascht“, „trugst Seelenlast und Leibesplagen“). Damit schafft Busch eine eindringliche, humorvolle, aber auch tiefgründige Beschreibung des Lebens und seiner Stationen.

In „Lebensfahrt“ legt Busch besonders den Fokus auf die Unvermeidlichkeit und den Kreislauf des Lebens: Geburt, Jugend und Entdeckerlust, Liebe und Verantwortung, Alter und Tod. Er betont dabei sowohl die Freuden und Genüsse, als auch die Strapazen und Entbehrungen des Lebenswegs. Mit der Wahl des Flieders an der Kirche als Symbol für den Tod, endet das Gedicht mit einem markanten und emotionalen Bild.

Weitere Informationen

Wilhelm Busch ist der Autor des Gedichtes „Lebensfahrt“. 1832 wurde Busch in Wiedensahl geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1848 bis 1908 entstanden. Wiesbaden u. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 134 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Die Gedichte „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“ sind weitere Werke des Autors Wilhelm Busch. Zum Autor des Gedichtes „Lebensfahrt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 208 Gedichte vor.

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