An die Freiheit. von Wilhelm Hauff

Was mir so leise einst die Brust durchbebte‚
Als ich zuerst zum Frühling war erwacht,
Was sich so hold in meine Träume webte,
Ein lieblich Bild aus mancher Frühlingsnacht,
Und was am Morgen klar noch in mir lebte,
Was dann, zur lichten Flamme angefacht,
Mit kühner Ahnung meine Seele füllte —
Es wären nur der Täuschung Luftgebilde?
 
Was ich geschaut im großen Buch der Zeiten,
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Wenn ich der Völker Schicksal überlas,
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Was ich erkannt, wenn ich die Sternenweiten
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Der Schöpfung mit dem trunk’nen Auge maß,
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Was ich gefühlt bei meines Volkes Leiden,
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Wenn sinnend ich am stillen Hügel saß —
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Ich fühlte es an meines Herzens Glühen:
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Es war kein Traumbild eitler Phantasien!
 
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Du, stille Nacht, und du, o meine Laute!
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Nur euch, ihr Trauten, hab' ich es gesagt;
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Ertönt’s noch einmal, was ich euch vertraute,
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Erzählt’s dem Abendhauch, was ich geklagt.
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O sagt’s ihm, was ich fühlte, was ich schaute,
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Und was mein ahnend Herz zu hoffen wagt!
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O Freiheit, Freiheit! Dich hab’ ich gesungen
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Und meiner Ahnung Lied hat dir geklungen!
 
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Die müde Sonne ist hinabgegangen,
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Der Abendschein am Horizont zerrinnt;
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Doch du, o Freiheit, spielst um meine Wangen.
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Stiegst du hernieder mit dem Abendwind?
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Nach dir, nach dir ringt heißer mein Verlangen;
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Ich fühl’s, du schwebst um mich, so mild, so lind —
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O, weile hier, wirf ab die Adlerflügel!
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Du schweigst? Du meidest ewig Deutschlands Hügel?
 
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Wohl lange ist’s, seit du so gerne wohntest
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Bei unsern Ahnen in dem düstern Hain;
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Dünkt dir, wie gern du auf den Bergen throntest,
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Vom eis’gen Belt bis an den alten Rhein?
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Mit Eichenkränzen deine Söhne lohntest?
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Das schöne Land soll ganz vergessen sein?
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Noch denkst du sein: es wird dich wiedersehen,
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Wird auch dein Geist dann längst mein Grab umwehen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „An die Freiheit.“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
295
Entstehungsjahr
nach 1818
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das besprochene Gedicht „An die Freiheit“ wurde von dem deutschen Dichter Wilhelm Hauff im 19. Jahrhundert verfasst, genauer zwischen 1802 und 1827. Hauff war bekannt für seine romantische Poesie und seine Märchen.

Beim ersten Lesen des Gedichts fallen die emotionalen und nostalgischen Anspielungen auf die Freiheit auf, die sowohl persönlich als auch national interpretiert werden können. Es weckt romantische Bilder und erzeugt eine melancholische Stimmung.

Das lyrische Ich erinnert sich zunächst an ein Gefühl, das ihm seit seiner Jugend bekannt ist (Strophe 1), eine Art von Sehnsucht und Verlangen, die in Frage stellt, ob seine Gefühle nur Täuschungen waren. Diese Emotionen sind untrennbar mit den Idealen der Freiheit verbunden, die weiterhin in den folgenden Strophen betont wird. In der zweiten Strophe reflektiert das lyrische Ich seine Beobachtungen in der Welt, seine Tauchgänge in die Tiefen des Universums und die Geschichten der menschlichen Geschichte und kommt zum Schluss, dass seine Ideale keine leeren Träume waren.

In der dritten und vierten Strophe wendet sich das lyrische Ich direkt an die Freiheit, äußert seine Gefühle und Hoffnungen erneut und bittet sie, bei ihm zu bleiben. Im letzten Teil des Gedichts erinnert er die Freiheit an ihre frühere Anwesenheit in seinem Land und drückt die Hoffnung aus, dass sie trotz seiner sterblichen Natur zurückkehren wird.

Formell ist das Gedicht in fünf Oktaven strukturiert, was eine gewisse Intensität und Dringlichkeit vermittelt. Die Sprache des Gedichts ist romantisch und symbolisch, mit vielen Natur- und Kosmosbildern. Es verwendet auch personifizierte Metaphern, wobei die Freiheit sowohl als eine anerkannte Ideologie als auch als eine geliebte Person dargestellt wird, was ihr einen vertrauten und intimen Charakter verleiht.

Insgesamt könnte das „Gedicht an die Freiheit“ als Ausdruck des Wunsches des Dichters interpretiert werden, die Ideale der Freiheit in seiner persönlichen und nationalen Realität zu erkennen und zu bewahren. Es ist ein Loblied auf die Freiheit, ein Plädoyer für ihre Anwesenheit und ein Hoffnungsschimmer auf ihre zukünftige Rückkehr. Diese Interpretation passt gut zu der Zeit der Romantik, in der viele Dichter und Schriftsteller eine starke Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit verspürten. Es könnte auch als politische Aussage gegen die Unterdrückung und Zensur interpretiert werden, denen viele Deutsche in dieser Zeit ausgesetzt waren.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die Freiheit.“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Hauff. Geboren wurde Hauff im Jahr 1802 in Stuttgart. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1818 und 1827. Der Erscheinungsort ist Zürich. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 295 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Hauff sind „Reiters Morgengesang“, „Soldatenliebe“ und „Ihr Auge“. Zum Autor des Gedichtes „An die Freiheit.“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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