Königin Kobold von Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer

Bündische der Geisterstaaten,
Nie gesehn und oft errathen,
Mitternächtlich eingehüllet,
Daß ihr euren Dienst erfüllet,
Horchet, über Sumpf und Ried
Ladet euch der Unken Lied.
Reif zum Lohn und reif zu Strafen
Seht des Staubes Töchter schlafen:
Eilt darum auf sichern Wegen
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Ernstem Richteramt entgegen;
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Sind doch eurem Talisman
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Schloß und Riegel unterthan.
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Trefft ihr schmuzig Küch’ und Keller,
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Schlecht gescheuert Napf und Teller,
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Müßt aus ungebrauchtem Besen
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Schlanke Ruthen ihr erlesen:
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Die der Arbeit frech entsagt,
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Schmecke bald, wie Zucht behagt.
 
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Aber die sich nicht geleget
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Eh das Haus sie rein gefeget,
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Sollt ihr mit der Last versöhnen,
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Und im Kuß die Wange schönen:
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Ihres harten Lagers Raum
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Wandelt um in weichen Flaum!
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Zu den kommenden Geschäften
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Stärket sie mit frischen Kräften,
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Auch verleihet beim Entweichen
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Der Begünstigten ein Zeichen:
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Fährt ihr Fuß den Schuh hinein,
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Lieg’ ein blanker Groschen drein.
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Habt ihr dem Beruf genüget,
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Bös’ und Gutes rings verfüget,
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Soll die goldenste der Aehren
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Für uns alle Brod gewähren,
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Hält ein Halm den Thautrank frisch,
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Und ein Pilz baut unsern Tisch.
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Süsses Hirn der kleinen Meise,
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Schneckenmark ist unsre Speise,
 
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Wohlvertheilt auf Bohnenschalen,
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Gargekocht von Irrlichtsstrahlen:
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Dampft das liebliche Gericht,
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Neiden wir die Götter nicht.
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Sind die Gäste halb berauschet,
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Wird das Mahl mit Tanz vertauschet;
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Mücke, Flieg’ und Grille singen,
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Weil wir auf und nieder schwingen:
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Ob der Mond den Schein verlor,
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Leuchte Feuerwurm uns vor.
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Ungeknikt vom leichten Tritte
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Birgt kein Rasen Spur der Schritte,
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Doch das Thor von uns durchzogen
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Spiegelt sich im Regenbogen,
53 
Und der Kreis, den wir geweiht,
54 
Bleibt das Jahr von Frost befreit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Königin Kobold“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
54
Anzahl Wörter
262
Entstehungsjahr
1797
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Königin Kobold“ stammt aus der Feder von Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer, gängig bekannt als Bürgermeister Meyer, einem begeisterten Amateurdichter aus Hamburg, welcher in der Epoche der Klassik und Romantik lebte.

Ein erster Eindruck des Gedichts legt nahe, dass in dem Vers an eine fantastische und mythische Welt appelliert wird, in der Geister zentrale Akteure sind und Übernatürliches passiert. Der Titel selbst weist auf die mythologische Figur Kobold hin, die oft als Hausgeist und Schelm in der deutschen Folklore gesehen wird.

Im Gedicht ruft das lyrische Ich eine Reihe von imaginären Geistern auf, die zur Mitternacht über sumpfige Landschaften ziehen, um menschlichen Haushalten einen Besuch abzustatten. Dabei spielen sie die Rolle der nächtlichen Richter, die auf der Grundlage des Zustands der Haushalte Lohn oder Strafe verteilen. In ordentlichen und sauberen Haushalten hinterlassen sie Geschenke und Segen, während in schmutzigen und verwahrlosten Häusern mit Unordnung und Schrecken bestraft wird. Nachdem sie diese Aufgabe erfüllt haben, feiern sie ein üppiges Fest, bevor sie in den Tag hineintanzen.

Das lyrische Ich scheint hier eine moralische Botschaft in Form einer Folklore zu vermitteln: Für gute Taten und Ordnung wird man belohnt, und das Gegenteil zieht Strafen nach sich. Es greift das Volksglaubensmotiv auf und arbeitet gleichzeitig mit einer poetischen Erzählweise, die Hausgeistern beinahe eine Art himmlische, rächende Rolle zuweist, ähnlich den Gestalten des antiken Schicksals.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen, die in einem regelmäßigen Reimschema verfasst sind. Angefangen mit 18 Versen in der ersten Strophe, wird die Zahl der Verse auf 20 in der zweiten und 16 in der dritten Strophe erhöht. Auch wenn der Rhythmus nicht einheitlich ist, bleibt der Klang flüssig.

Die Sprache des Gedichts ist deutlich klassisch und romantisch, gespickt mit altertümlichen Ausdrücken und Metaphern. Die Symbolik ist stark ausgeprägt, wobei viele natürliche Elemente wie Unken, Regenbogen, Pilze und Mücken einbezogen werden, um eine mythische und magische Atmosphäre zu schaffen.

Abschließend könnte man sagen, dass „Königin Kobold“ ein faszinierendes Poesiestück ist, das richig humanistische Werte durch eine fantasievolle narrative Struktur, auffallende sprachliche Gestaltung und tiefe Symbolik vermittelt. Es ist zugleich eine Reminiszenz an alte Volksglauben und ein Portrait von menschlicher Ordnung und Moral.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Königin Kobold“ des Autors Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer. Der Autor Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer wurde 1758 in Harburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1797 zurück. Der Erscheinungsort ist Tübingen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 262 Worte. Der Dichter Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer ist auch der Autor für Gedichte wie „Mathilde“ und „Phantasie“. Zum Autor des Gedichtes „Königin Kobold“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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