Kunstgewerbe von Joachim Ringelnatz

Ein blauer Hund mit gelben Ohren
Wurde in einem Atelier geboren.
Weil er naturfremd originell
Wie jene Mutter war, die ihn gebar,
Vermehrte er sich populär sehr schnell
Und brachte Geld, und viel sogar.
 
Ein andres Suchweib, gleichfalls von Beruf
Originell, erdachte sich und schuf
Aus Ton ein Mäus'chen, witzig, zart und schlicht,
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Sehr künstlerisch; das reüssierte nicht.
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Bis wahre Künstler es entdeckten
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Und kauften von sechs Exemplaren vier.
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Worauf die andern zwei entsetzlich heckten.
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Nun seh ich überall dies Mäusetier.
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Es glotzt, es kotzt mich an aus Gips,
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Aus Bronze, Ton. Ein Mäuseplagenippes.
 
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Ich bitte dich: Wenn ich dereinst mal sterbe,
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Tu meine Asche nicht in Kunstgewerbe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Kunstgewerbe“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
108
Entstehungsjahr
1932
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kunstgewerbe“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte und vor allem für seine humoristischen und satirischen Werke bekannt ist. Das Gedicht lässt sich in die Schaffensperiode der Weimarer Republik einordnen, in der Ringelnatz als Künstler tätig war.

Beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht einen humorvollen und leicht sarkastischen Eindruck. Es entfaltet einen Kritikpunkt an der kommerzialisierten Kunstwelt und ihre Tendenz, erfolgreiche Kunstwerke massenhaft zu replizieren.

Inhaltlich teilt sich das Gedicht in zwei Haupteinheiten auf, bevor es durch zwei abschließende Verse abgerundet wird. In der ersten Strophe geht es um einen blauen Hund mit gelben Ohren, ein Kunstwerk, das trotz seiner Unnatürlichkeit sehr beliebt wurde und viel Geld einbrachte. Die zweite Strophe erzählt die Geschichte eines entzückenden Ton-Mäuschens, das zunächst nicht beachtet wurde, bis anerkannte Künstler sich dafür interessierten und es massenhaft repliziert wurde. Das lyrische Ich drückt seine Verachtung und Überdruss gegenüber dem omnipräsenten Mäuseplagenippes – offenbar ein Neologismus, der seine Ablehnung von Standard-Kunstgewerbe unterstreicht – aus.

In puncto Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in Versform verfasst ist und die Strophen unterschiedliche Längen haben. Die Sprache ist eher schlicht und direkt, wobei Ringelnatz durchaus humoristische Wendungen und Wortneuschöpfungen einsetzt, um seine satirische Aussage zu unterstreichen.

Zusammengefasst kritisiert das Gedicht „Kunstgewerbe“ die Kommerzialisierung von Kunst und die Tendenz der Kunstwelt, originelle Werke in Massenproduktion zu durchdenken. Dabei bedient sich Ringelnatz einer humorvollen und sarkastischen Sprache und beweist seine meisterhafte Fähigkeit, mittels des Neologismus Unbehagen und Kritik am gegenwärtigen Kunstbetrieb auszudrücken. Der abschließende Wunsch des lyrischen Ichs unterstreicht seine Ablehnung von standardisiertem Kunstgewerbe und letztlich den Wunsch nach Authentizität und Individualität in der Kunst.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Kunstgewerbe“ ist Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1932 zurück. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 108 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 18 Versen. Die Gedichte „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Kunstgewerbe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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