Kriegslied von Erich Mühsam

Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren . . .
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand –
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
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mit Gott für König und Vaterland.
 
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Aus dem Bett von Lehm und Jauche
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zur Attacke auf dem Bauche!
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Trommelfeuer – Handgranaten –
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Wunden – Leichen – Heldentaten –
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bravo, tapfere Soldaten!
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So lebt der edle Kriegerstand,
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das Eisenkreuz am Preußenband,
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die Tapferkeit am Bayernband,
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mit Gott, mit Gott, mit Gott,
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mit Gott für König und Vaterland.
 
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Still gestanden! Hoch die Beine!
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Augen gradeaus, ihr Schweine!
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Visitiert und schlecht befunden.
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Keinen Urlaub. Angebunden.
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Strafdienst extra sieben Stunden.
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So lebt der edle Kriegerstand.
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Jawohl, Herr Oberleutenant!
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Und zu Befehl, Herr Leutenant!
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Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
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mit Gott für König und Vaterland.
 
31 
Vorwärts mit Tabak und Kümmel
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Bajonette. Schlachtgetümmel.
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Vorwärts! Sterben oder Siegen!
34 
Deutscher kennt kein Unterliegen.
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Knochen splittern, Fetzen fliegen.
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So lebt der edle Kriegerstand.
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Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
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das Blut tropft in den Straßenrand
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mit Gott, mit Gott, mit Gott,
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mit Gott für König und Vaterland.
 
41 
Angeschossen, – hochgeschmissen, –
42 
Bauch und Därme aufgerissen.
43 
Rote Häuser – blauer Äther –
44 
Teufel! Alle heiligen Väter! . . .
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Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
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So stirbt der edle Kriegerstand,
47 
in Stiefel, Maul und Ohren Sand
48 
und auf dem Grab drei Schippen Sand –
49 
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
50 
mit Gott für König und Vaterland.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Kriegslied“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
230
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kriegslied“ stammt vom deutschen Schriftsteller und Anarchisten Erich Mühsam, der von 1878 bis 1934 lebte. Diese zeitliche Einordnung deutet auf den Ersten Weltkrieg als Entstehungskontext des Gedichts hin.

Mit drastischen Beschreibungen erzeugt das Gedicht unmittelbar einen beklemmenden, abstoßenden Eindruck. In einfachen Worten fasst das Gedicht die Schrecken und die Härte des Krieges zusammen, vom alltäglichen Leben im Schützengraben bis hin zum Tod auf dem Schlachtfeld.

Das lyrische Ich schildert unterschiedliche Aspekte des Kriegerlebens und wiederholt dabei den Refrain „So lebt/stirbt der edle Kriegerstand, / mit Gott, mit Gott, mit Gott, /mit Gott für König und Vaterland.“ Hier wird der Ironie des Titels „Kriegslied“ klar, denn das, was beschrieben wird, hat mit Heldentum und Ehre nichts zu tun. Es scheint, als wollte das lyrische Ich die Grausamkeit und Absurdität des Krieges hervorheben.

Inhaltlich wird der Krieg als sinnloser und brutaler Akt der Gewalt dargestellt. Dazu trägt auch die bitter-ironische Wiederholung des Refrains bei, der die Verbindung von Religion und Nationalismus kritisiert, die oft zur Rechtfertigung von Kriegen dient.

Form und Sprache des Gedichts unterstreichen die düstere Botschaft. Die Verse sind rhythmisch und reimen sich, was dem Gedicht einen sarkastischen Ton verleiht. Gleichzeitig erzeugen die drastischen, äußerst bildhaften Beschreibungen eine beklemmende Atmosphäre und die Wiederholungen verstärken den Eindruck der sinnlosen, endlosen Brutalität des Krieges.

Kurz gesagt, Mühsam kritisiert in „Kriegslied“ den Krieg und seine sinnlosen Schrecken und hinterfragt dabei die Rolle von Gott, König und Vaterland, die zur Rechtfertigung solcher Grausamkeiten dienen. Er nutzt dazu eine einfache, aber drastische Sprache und ironische Wiederholungen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Kriegslied“ ist Erich Mühsam. Im Jahr 1878 wurde Mühsam in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1920 zurück. Erschienen ist der Text in München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Mühsam handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 230 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Erich Mühsam ist auch der Autor für Gedichte wie „... Der für die Menschheit starb“, „1919“ und „An die Dichter“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Kriegslied“ weitere 57 Gedichte vor.

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