Kreuzigung von Rainer Maria Rilke
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Längst geübt, zum kahlen Galgenplatze |
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irgendein Gesindel hinzudrängen, |
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ließen sich die schweren Knechte hängen, |
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dann und wann nur eine große Fratze |
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kehrend nach den abgetanen Drein. |
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Aber oben war das schlechte Henkern |
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rasch getan; und nach dem Fertigsein |
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ließen sich die freien Männer schlenkern. |
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Bis der eine (fleckig wie ein Selcher) |
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sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien. |
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Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher? |
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und es war ihm selbst, er hätte ihn |
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den Elia rufen hören. Alle |
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waren zuzuschauen voller Lust, |
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und sie hielten, daß er nicht verfalle, |
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gierig ihm die ganze Essiggalle |
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an sein schwindendes Gehust. |
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Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel |
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und vielleicht den kommenden Elia. |
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Aber hinten ferne schrie Maria, |
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und er selber brüllte und verfiel. |
Details zum Gedicht „Kreuzigung“
Rainer Maria Rilke
5
21
119
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Kreuzigung“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem bedeutenden Lyriker der literarischen Moderne, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wirkte.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht düster und hart, passend zu seinem Titel „Kreuzigung“. Es beschreibt eine öffentliche Hinrichtung aus der Perspektive der Henker und Schaulustigen.
Inhaltlich thematisiert das Gedicht die Kreuzigung Jesu. Allerdings fokussiert sich die Beschreibung nicht auf Jesus selbst oder die Passion, sondern auf die beteiligten Menschen und ihre Reaktionen. Dabei wird brutale Grausamkeit in direkter Weise ausgedrückt. Die Leidenschaft, Neugier und Verhöhnung des lyrischen Ichs offenbaren die menschliche Fähigkeit, Genuss und Belustigung aus der Qual anderer zu ziehen.
Die Form des Gedichtes ist traditionell mit jeweils vier Versen pro Strophe, bis auf die vierte Strophe, die aus fünf Versen besteht. Rilke bedient sich einer direkten, eher derben Sprache, die das brutale Szenario und die distanzierte, emotionslose Perspektive der Schaulustigen und Henker unverblümt darstellt.
Transgressive Verben wie „hinzudrängen“, „hängen“ oder „schlenkern“ vermitteln die Atmosphäre roher Gewalt und Gleichgültigkeit. In dieser Form und Sprache spiegelt sich die Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Kreuzigung wider.
Zusammengefasst thematisiert Rilkes Gedicht auf schonungslose Weise die dunklen Seiten der menschlichen Natur. Unter dem Mantel eines religiös-historischen Ereignisses offenbart es die menschliche Neigung zur Grausamkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden Anderer.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Kreuzigung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 119 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 21 Versen. Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Adam“, „Advent“ und „Allerseelen“. Zum Autor des Gedichtes „Kreuzigung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.
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