Krethi und Plethi von Kurt Tucholsky

Vater Liebert hat eine Rede vom Stapel gelassen,
in der er sagte, der Reichstag täte ihm nicht mehr passen.
 
Denn in diesen durchaus traurigen Verein
kämen ja sogar Krethi und Plethi hinein.
 
Ich weiß nun nicht genau, wer Krethi und Plethi sind;
vielleicht meint er damit meinen Vater oder dein Enkelkind.
 
Aber das weiß ich: die Schlacht bei Warschau und in den Argonnen,
die haben Deutschlands Krethi und Plethi gewonnen.
 
Vielleicht hat Vater Liebert in Hannover großen Applaus.
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Ihm hängt aber nicht nur der Reichstag zum Halse heraus.
 
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Da hängt auch ein hoher, preußischer, bunter Orden.
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Der ist ihm für viel Blut deutscher Krethis und Plethis verliehen worden.
 
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Und der eine Krethi ist Krüppel, und der andere Plethi ist krank.
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Tausend blasse Lippen flüstern: „Dank, Herr General! Dank!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Krethi und Plethi“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
128
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Kurt Tucholsky, ein deutscher Journalist und Schriftsteller, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky war ein bedeutender und herausragender Vertreter der sogenannten Weimarer Republik, der politischen und gesellschaftlichen Ära in Deutschland von 1919 bis 1933.

Die erste Reaktion auf das Gedicht ist, dass es eine klare politische Botschaft hat und sehr sarkastisch und provokativ ist. Es konzentriert sich auf die Figur des „Vater Liebert“, der als eine wichtige und autoritäre Figur dargestellt wird, die allerdings auch sehr kritisiert wird.

Im Gedicht spricht das lyrische Ich über Vater Lieberts abfällige Bemerkungen über den Reichstag und die Menschen („Krethi und Plethi“, ein biblischer Ausdruck für „Hinz und Kunz“, also die einfachen Leute), die darin vertreten sind. Tucholsky verwendet die Figur des Vaters Liebert, um seine Kritik an der Heuchelei und dem Zynismus der Autoritäten deutlich zu machen. Besonders deutlich wird dies in dem bildhaften Vergleich der Auszeichnungen, die Vater Liebert erhalten hat, mit dem Leiden der einfachen Leute, die für ihr Land gekämpft und gelitten haben.

Das Gedicht zeichnet sich durch einen einfachen, direkten Stil und einem wechselnden Reimschema aus. Tucholsky nutzt dabei bissigen Humor und Sarkasmus, um seine Kritik an politischen und gesellschaftlichen Missständen auszudrücken. So schafft er es, in wenigen Worten eine eindrucksvolle und provokative Botschaft zu vermitteln.

Der Inhalt lässt vermuten, dass das Gedicht in der Weimarer Republik entstanden ist, einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, in der die Einflüsse des Ersten Weltkrieges und der damit verbundene Patriotismus noch stark spürbar waren. Dieses Gedicht ist also ein gutes Beispiel für Tucholskys literarische Arbeit, die immer wieder von gesellschaftskritischen und politischen Themen geprägt ist.

Zusammenfassend ist „Krethi und Plethi“ ein kritischer Kommentar zur politischen Kultur der Zeit und der Rolle der Autoritäten in einer Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Unsicherheit.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Krethi und Plethi“ des Autors Kurt Tucholsky. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1919. Erschienen ist der Text in Charlottenburg. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Republik hatten erheblichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Bei der Neuen Sachlichkeit war der Inhalt der Texte wichtiger als die Form. Die Schriftsteller dieser Bewegung wollten mit ihren Texten möglichst viele Menschen aus allen sozialen Schichten ansprechen. Aus diesem Grund wurden die Texte in einer alltäglichen Sprache verfasst und wurden oft im Stile einer dokumentarisch-exakten Reportage geschrieben. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Autoren, die ins Exil fliehen, also ihre Heimat verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den thematischen Schwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus erkennen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 128 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 14 Versen. Die Gedichte „All people on board!“, „Also wat nu – ja oder ja?“ und „An Lukianos“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Zum Autor des Gedichtes „Krethi und Plethi“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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