Kostümball-Gedanken 1928 von Joachim Ringelnatz

Es wechseln die Moden.
Aber der Hosenboden
Sitzt sinngemäß
Immer unterm Gesäß.
 
Mücken und Massenfische
Schwimmen ganz anders umeinand.
Beine wissen sich unter dem Tische
Zu benehmen, niemals die Hand.
 
Keine Teile schalten
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Aus; ein jedes spielt Spiel.
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Strumpffalten zum Beispiel enthalten
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An Bedeutung viel.
 
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Jedes tut, als ob wär.
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Scheinbar will niemand fischen.
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Diesmal ist viel Revolutionär
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Und Junges dazwischen.
 
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Stierkämpfer und Kuhfraun,
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Cowboys und Kurze Wichs.
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Die nur humorlos zuschaun,
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Sind nix.
 
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Dünner Nepp oder Dick-Nepp –
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Wie man sich gegenwagt –
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Erzielt – wie man in Virginia sagt –
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Back-door-quick-step.
 
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Rhythmus macht viel ... Auch Haare.
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Selten reißen gedachte Stellen entzwei.
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Leider ist alle Jahre
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Wieder die alte Ziege dabei.
 
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Wärmend sind zwischendurch und durch
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Schnäpse und Sekte.
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Abkühlend wie ein Lurch oder Schirurch
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Wirken Dialekte.
 
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Bunt stimmt viel froher
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Als beispielsweise Grau.
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Aber viel sowiesoer
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Reizt der Busen der Frau.
 
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Schön ist stets das Originelle,
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Weil’s von Erfindung zeugt.
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Doch das paßt nicht: wenn eine Sardelle
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Vor dem Auerhahn ihr Knie beugt.
 
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Das nächste Mal gedenke ich
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Als ganz Nackter mitzumachen.
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Und auch dies Kostüm verschenke ich.
44 
Nur damit die Leute lachen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Kostümball-Gedanken 1928“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
182
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kostümball-Gedanken 1928“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte und wirkte.

Auf den ersten Eindruck hin wirkt das Gedicht humorvoll und leicht absurdistisch, mit einer Reihe von Bildern und Gedanken, die den chaotischen und ungezwungenen Charakter eines Kostümballs einfangen.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um Beobachtungen und Gedankensplitter des lyrischen Ichs während eines Kostümballs. Das lyrische Ich kommentiert und satirisiert verschiedene Aspekte der Veranstaltung und der anwesenden Gäste, wie die Moden, Verhaltensweisen und Kostüme. Es betont die Künstlichkeit und Überflüssigkeit bestimmter Normen und Gewohnheiten, wie es beispielsweise die Mode vorführt. Gleichzeitig enthält es auch einen humorvollen, aber kritischen Kommentar zur Rolle der Frauen in der Gesellschaft, indem es etwa auf die Anziehungskraft des weiblichen Busens anspielt.

Zugleich ist das lyrische Ich selbst Teil des Geschehens und nutzt das Kostüm, um seine eigene Rolle im sozialen Gefüge darzustellen oder zu karikieren. Es betont, dass es beim nächsten Mal nackt erscheinen will, um die Leute zum Lachen zu bringen - eine ironische Pointierung der Absurdität sozialer Konventionen.

Formal besteht das Gedicht aus elf vierzeiligen Strophen im freien Vers. Die Sprache ist umgangssprachlich und humorvoll, mit zahlreichen Wortspielen und unerwarteten Wendungen, die die Absurdität und Komik des Geschilderten hervorheben.

Insgesamt erzeugt das Gedicht durch seine scharfsinnige Beobachtung und seinen humorvollen Ton eine Atmosphäre der Ausgelassenheit und Kritik, die dem chaotischen und absurden Charakter eines Kostümballs entspricht. Es unterhält und regt gleichzeitig zum Nachdenken über die Rolle von Normen und Gewohnheiten in der Gesellschaft an.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Kostümball-Gedanken 1928“ des Autors Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Das Gedicht ist im Jahr 1928 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 182 Worte. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Zum Autor des Gedichtes „Kostümball-Gedanken 1928“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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