Kophtische Lieder von Johann Wolfgang von Goethe

Lasset Gelehrte sich zanken und streiten,
Streng und bedächtig die Lehrer auch seyn!
Alle die Weisesten aller der Zeiten
Lächeln und winken und stimmen mit ein:
Thörigt, auf Beßrung der Thoren zu harren!
Kinder der Klugheit, o! habet die Narren
Eben zum Narren auch, wie sichs gebührt.
 
Merlin der alte, im leuchtenden Grabe,
Wo ich als Jüngling gesprochen ihn habe,
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Hat mich mit ähnlicher Antwort belehrt:
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Thörigt, auf Beßrung der Thoren zu harren!
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Kinder der Klugheit, o! habet die Narren
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Eben zum Narren auch, wie sichs gehört.
 
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Und auf den Höhen der Indischen Lüfte
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Und in den Tiefen Aegyptischer Grüfte
 
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Hab ich das heilige Wort nur gehört:
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Thörigt, auf Beßrung der Thoren zu harren!
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Kinder der Klugheit, o! habet die Narren
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Eben zum Narren auch, wie sichs gehört.
 
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2.
 
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Geh! gehorche meinen Winken,
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Nutze deine jungen Tage,
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Lerne zeitig, klüger seyn.
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Auf des Glückes großer Wage
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Steht die Zunge selten ein.
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Du mußt steigen, oder sinken,
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Du mußt herrschen und gewinnen,
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Oder dienen und verlieren,
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Leiden, oder triumphiren,
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Ambos, oder Hammer seyn.
31 
GÖTHE.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Kophtische Lieder“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
31
Anzahl Wörter
172
Entstehungsjahr
1796
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kophtische Lieder“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe verfasst, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts. Diese Epoche ist bekannt als die Weimarer Klassik, die von 1788 bis etwa 1805 dauerte.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer kraftvollen Sprache, die ernste und lebensphilosophische Themen vermittelt. Es scheint ein Aufruf zur Handlung und zur Selbsterkenntnis zu sein, in einer Welt, in der man entweder Anführer oder Follower, Sieger oder Verlierer ist.

Das Gedicht ist in sechs Strophen unterteilt, deren Länge variiert. Die ersten vier Strophen haben möglicherweise eine andeutende Funktion und legen einen inhaltlichen Fokus, während die folgenden Strophen den Gedanken stärker vertiefen.

Goethe beginnt mit einer Betrachtung von Gelehrten und Lehrern, indem er ihre Diskussionen und Streitereien thematisiert. Er thematisiert die Idee, dass es klug ist, Narren einfach Narren sein zu lassen, statt zu versuchen, sie zu belehren. Dies wird in den ersten drei Strophen wiederholt und bildet so einen sogenannten Refrain, der die Aussage unterstreicht.

Die Perspektivenweise wechselt im Verlauf des Gedichts, von einer Betrachtung weiser Männer und Lehrer hin zu persönlichen Erfahrungen und Einsichten des lyrischen Ichs. Es erzählt von Begegnungen mit dem Zauberer Merlin und von den Lektionen, die es auf den Höhen indischer Lüfte und in ägyptischen Gräbern erlernt hat. Alle Fäden laufen jedoch wieder auf den zentralen Gedanken zu: Es ist töricht, auf die Besserung der Narren zu hoffen.

In den letzten beiden Strophen intensiviert Goethe den Aufruf zur Eigenverantwortung und Entschlossenheit. Das lyrische Ich fordert jemanden auf, den Ratschlägen zu folgen und die jungen Tage zu nutzen. Es muss herrschen und siegen oder dienen und verlieren, sowie leiden oder triumphieren. Dabei wird das Bild von „Ambos oder Hammer sein“ verwendet, das verdeutlicht, dass man entweder andere formt und beeinflusst oder selbst von anderen beeinflusst und geformt wird.

In puncto Form und Sprache bedient sich Goethe einer klaren, direkten Sprache, die zusammen mit einer strukturierten, regelmäßigen Rhythmik den Gedanken Ausdruck verleiht. Die häufige Wiederholung bestimmter Phrasen dient der Betonung seiner Botschaft, während bildhafte Metaphern und Bezüge den Text anschaulich und vielschichtig gestalten.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Kophtische Lieder“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. 1796 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Neustrelitz. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Bei den Schriftstellern handelte es sich meist um Autoren jüngeren Alters. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar) ist einer der bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik. 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind oftmals verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Literaturepoche der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit zu forcieren. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche aber auch die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oftmals derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Schiller, Goethe, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Klassik angesehen werden. Aber nur Schiller und Goethe inspirierten und motivierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 31 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 172 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An Annetten“, „An Belinden“ und „An Lida“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Kophtische Lieder“ weitere 1618 Gedichte vor.

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