Konfession von Frank Wedekind

Freudig schwör’ ich es mit freier Stirne
Vor der Allmacht, die mich züchtigen kann:
Wie viel lieber wär’ ich eine Dirne
Als an Ruhm und Glück der reichste Mann!
 
Welt, in mir ging dir ein Weib verloren,
Abgeklärt und jeder Hemmung bar.
Wer war für den Liebesmarkt geboren
So wie ich dafür geboren war?
 
Lebt ich nicht der Liebe treu ergeben
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Wie es Andre ihrem Handwerk sind?
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Liebt ich nur ein einzig Mal im Leben
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Irgend ein bestimmtes Menschenkind?
 
13 
Lieben? – Nein, das bringt kein Glück auf Erden.
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Lieben bringt Entwürdigung und Neid.
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Heiß und oft und stark geliebt zu werden,
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Das heißt Leben, das ist Seligkeit!
 
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Oder sollte Schamgefühl mich hindern,
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Wenn sich erste Jugendkraft verliert,
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Jeden noch so seltnen Schmerz zu lindern,
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Den verwegne Phantasie gebiert?
 
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Schamgefühl? – Ich hab’ es oft empfunden;
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Schamgefühl nach mancher edlen Tat;
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Schamgefühl vor Klagen und vor Wunden;
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Scham, wenn endlich sich Belohnung naht.
 
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Aber Schamgefühl des Körpers wegen,
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Der mit Wonnen überreich begabt?
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Solch ein Undank hat mir fern gelegen,
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Seit mich einst der erste Kuß gelabt!
 
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Und ein Leib, vom Scheitel bis zur Sohle
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Allerwärts als Hochgenuß begehrt …
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Welchem reinern, köstlichern Idole
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Nachzustreben, ist dies Dasein wert?
 
33 
Wenn der Kniee leiseste Bewegung
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Krafterzeugend wirkt wie Feuersglut,
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Und die Kraft, aus wonniger Erregung
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Sich zu überbieten, nicht mehr ruht;
 
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Immer unverwüstlicher und süßer,
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Immer klarer im Genuß geschaut,
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Daß es statt vor Abscheu dem Genießer
40 
Nur vor seiner Riesenstärke graut …
 
41 
Welt, wenn ich von solchem Zauber träume,
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Dann zerstiebt zu nichts, was ich getan;
43 
Dann preis ich das Dasein und ich bäume
44 
Zu den Sternen mich vor Größenwahn! – – –
 
45 
Unrecht wär’s, wollt’ ich der Welt verhehlen,
46 
Was mein Innerstes so wild entflammt,
47 
Denn vom Beifall vieler braver Seelen,
48 
Frag’ ich mich umsonst, woraus er stammt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Konfession“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
292
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht trägt den Titel „Konfession“ und stammt von dem deutschsprachigen Schriftsteller und Dramatiker Frank Wedekind, der zwischen 1864 und 1918 lebte. Damit lässt sich das Werk in die Epoche des Fin de Siècle bzw. der Jahrhundertwende einordnen, welche durch teils starke bürgerlich-kritische Strömungen gekennzeichnet ist.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck von starker Emotionalität und Provokation. Die direkte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und dem Thema Liebe und Sexualität ist auffällig und durchaus typisch für Wedekinds Schriftstücke.

Der Inhalt des Gedichts ist eine Auseinandersetzung des lyrischen Ichs mit der Welt und seinen Gefühlen. Es äußert einen starken Kontrast zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen, dem Ruhm und Glück eines reichen Mannes und dem Wunsch, sich der Liebe frei hinzugeben, sogar in der Form einer Dirne. Das Ich hinterfragt gesellschaftliche Normen und äußert sich kritisch gegenüber Schamgefühlen und moralischen Hemmungen, die ihm aufgezwungen werden. Es betont die Wichtigkeit und Freude des Begehrtwerdens, der Liebe und sinnlichen Genüsse.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in 12 vierzeilige Strophen aufgeteilt, was eine klare und strukturierte Form vorgibt. Jeder Vers hat einen umarmenden Reim, der die Pointen am Ende jeder Strophe verstärkt. Das Gedicht ist in der ersten Person geschrieben, was die persönliche und subjectiven Emotionen des lyrischen Ichs verstärkt.

Die Sprache des Gedichts ist teils provokativ und wirkt aufgrund des direkten und unverschämten Ausdrucks rebellisch. Trotz der klaren und leicht verständlichen Wortwahl zeigt sich Wedekind in der Wortwahl raffiniert, indem er starke Kontraste schafft, welche die Gefühle des lyrischen Ichs betonen.

In der Gesamtbetrachtung ist das Gedicht „Konfession“ ein typisch wedekind'sches Werk, das sich kritisch mit gesellschaftlichen Normen auseinandersetzt und das Individuum und seine Gefühle in den Mittelpunkt rückt. Dabei regt es zum Nachdenken über gesellschaftliche Normen und die Bedeutung von Liebe und Begehren an. Wedekind nutzt die Gedichtform, um seine Kritik und Emotionen auf eindrucksvolle und provokative Weise auszudrücken.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Konfession“ ist Frank Wedekind. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Im Jahr 1905 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 292 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 12 Strophen. Der Dichter Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied“, „Abschied“ und „Albumblatt“. Zum Autor des Gedichtes „Konfession“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 114 Gedichte vor.

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