Kleines Volk von Heinrich Heine
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In einem Pißpott kam er geschwommen, |
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Hochzeitlich geputzt, hinab den Rhein. |
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Und als er nach Rotterdam gekommen, |
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Da sprach er: „Juffräuken, willst du mich freyn? |
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„Ich führe dich, geliebte Schöne, |
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Nach meinem Schloß, in’s Brautgemach; |
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Die Wände sind eitel Hobelspäne, |
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Aus Häkerling besteht das Dach. |
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„Da ist es so puppenniedlich und nette, |
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Da lebst du wie eine Königin! |
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Die Schaale der Wallnuß ist unser Bette, |
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Von Spinnweb sind die Laken drin. |
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„Ameisen-Eier gebraten in Butter |
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Essen wir täglich, auch Würmchengemüs, |
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Und später erb’ ich von meiner Frau Mutter |
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Drei Nonnenfürzchen, die schmecken so süß. |
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„Ich habe Speck, ich habe Schwarten, |
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Ich habe Fingerhüte voll Wein, |
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Auch wächst eine Rübe in meinem Garten, |
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Du wirst wahrhaftig glücklich sein!“ |
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Das war ein Locken und ein Werben! |
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Wohl seufzte die Braut: ach Gott! ach Gott! |
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Sie war wehmüthig, wie zum Sterben – |
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Doch endlich stieg sie hinab in den Pott. |
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Sind Christenleute oder Mäuse |
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Die Helden des Lieds? Ich weiß es nicht mehr. |
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Im Beverland hört’ ich die schnurrige Weise, |
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Es sind nun dreißig Jahre her. |
Details zum Gedicht „Kleines Volk“
Heinrich Heine
7
28
173
vor 1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Kleines Volk“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, der zwischen 1797 und 1856 lebte.
Das Gedicht hinterlässt einen wirklichkeitsfremden, humorvollen und auch absurden ersten Eindruck durch die Darstellung unrealistischer Lebensumstände und Geschehnisse.
Inhaltlich geht es um eine Figurengruppe oder Person, die metaphorisch als „kleines Volk“ bezeichnet werden könnte und sich in einem Pisspott einen Weg Rhein hinab bahnt. Die Reise endet in Rotterdam, wo die Hauptfigur eine Eheantrags macht. In den folgenden Strophen beschreibt das Ich die Vorzüge dieses Lebens, das von besonderen Einzelheiten gekennzeichnet ist: ein „Schloss“ aus Hobelspänen und Häkerling, ein Bett in einer Walnussschale, Ameisen-Eier und Würmchen als Nahrung und Nonnenfürzchen als Süßigkeit. In der letzte Strophe wird ein Abschlussgebet nach der Erfüllung des Antrags aufgezeigt, wobei die Verärgerung und Verzweiflung der Braut durch die Aussicht auf ein so unterordnetes Leben betont wird. Das einzig konkrete Rätsel, das das Gedicht stellt, ist die Frage, ob die „kleinen Helden“ dieses Gedichts Mäuse oder Menschen sind.
Das Gedicht ist in einer simplen, volkstümlichen Sprache geschrieben und besteht aus sieben vierzeiligen Strophen, was typisch für viele von Heines Gedichten ist. Die Sprache ist humorvoll und trägt zur surrealen Stimmung des Gedichts bei; sogar Themen wie Tod und Panik werden auf eine humorvolle Weise präsentiert.
Zudem schwingt in dem Gedicht ein Stück weit Gesellschaftskritik mit, indem Heine die Bedingungen und Absurditäten des Lebens der Armen durch überspitzte Darstellungen aufs Korn nimmt. Es lässt sich als Sozialkritik interpretieren, die auf humorvolle, aber dennoch tiefgründige Weise die damaligen Lebensbedingungen und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten aufzeigt. Heines poetische Techniken dienen dazu, dieses ernste Thema in einer tolldreisten Weise zu präsentieren, die den Leser sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken anregt.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Kleines Volk“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1851 entstanden. Erschienen ist der Text in Hamburg. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 173 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, ich sehne mich nach Thränen“, „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ und „Ahnung“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Kleines Volk“ weitere 535 Gedichte vor.
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