Klage um Jonathan von Rainer Maria Rilke
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Ach sind auch Könige nicht von Bestand |
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und dürfen hingehn wie gemeine Dinge, |
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obwohl ihr Druck wie der der Siegelringe |
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sich widerbildet in das weiche Land. |
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Wie aber konntest du, so angefangen |
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mit deines Herzens Initial, |
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aufhören plötzlich: Wärme meiner Wangen. |
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O daß dich einer noch einmal |
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erzeugte, wenn sein Samen in ihm glänzt. |
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Irgendein Fremder sollte dich zerstören, |
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und der dir innig war, ist nichts dabei |
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und muß sich halten und die Botschaft hören; |
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wie wunde Tiere auf den Lagern löhren, |
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möcht ich mich legen mit Geschrei: |
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denn da und da, an meinen scheusten Orten, |
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bist du mir ausgerissen wie das Haar, |
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das in den Achselhöhlen wächst und dorten, |
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wo ich ein Spiel für Frauen war, |
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bevor du meine dort verfitzten Sinne |
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aufsträhntest, wie man einen Knaul entflicht; |
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da sah ich auf und wurde deiner inne: — |
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Jetzt aber gehst du mir aus dem Gesicht. |
Details zum Gedicht „Klage um Jonathan“
Rainer Maria Rilke
5
22
145
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das analysierte Gedicht stammt von Rainer Maria Rilke, einem bedeutenden Dichter der literarischen Moderne, der von 1875 bis 1926 lebte. Dies ermöglicht eine grobe zeitliche Einordnung in den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Der erste Eindruck des Gedichts weckt Empfindungen von Trauer, Verlust und Klage - der Titel deutet bereits darauf hin. Rilke spricht von einem verlorenen Freund oder geliebten Menschen, Jonathan, und drückt seinen Schmerz und seine Verwirrung über diesen Verlust aus.
Er beginnt mit einer ziemlich klaren Aussage, dass auch Könige sterben dürfen, was bedeutet, dass jedes Leben, auch das eines sehr wichtigen Menschen, vergänglich ist. Im zweiten Teil betont er das abrupte Verschwinden von Jonathan und drückt den Wunsch aus, dass er wiedergeboren wird.
Im dritten Teil des Gedichts beschreibt Rilke mit großer Emotionalität den Schmerz des Verlustes und des Verabschiedens, bevor er im vierten Teil auf einen sehr persönlichen Schmerz hinweist. Mit der Beschreibung, Jonathan sei ihm ausgerissen worden „wie das Haar“, betont Rilke die physische und emotionale Intimität der Beziehung.
Im letzten Teil drückt er das Gefühl aus, dass seit Jonathans Tod seine Sinne durcheinandergeraten sind und er sich verloren fühlt.
In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Rilkes Wortwahl ist emotional aufgeladen und verwendet Bilder, die sowohl körperlichen Schmerz als auch Seelenleid vermitteln.
Die direkte und unverblümte Sprache, mit der er über Tod und Verlust spricht, sowie die eindringlichen und drastischen Metaphern, die er verwendet, um seinen Schmerz zu vermitteln, lassen keine Distanz zum Leser zu und machen das Gedicht zu einem sehr persönlichen und emotionalen Aussage.
Insgesamt lässt sich sagen, dass „Klage um Jonathan“ ein intensives Gedicht ist, das den Schmerz und die Verwirrung vermittelt, die der Tod eines geliebten Menschen mit sich bringt. Es ist gleichzeitig ein bewegendes Zeugnis für die starke emotionale Bindung, die Rilke zu Jonathan hatte.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Klage um Jonathan“ des Autors Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. 1918 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 145 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Adam“, „Advent“ und „Allerseelen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Klage um Jonathan“ weitere 338 Gedichte vor.
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