Klage von Friederike Brun
1785
1 |
Hingebeugt von bangem tiefem Sehnen, |
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Such’ ich, Einsamkeit, ach’! deinen Schoos. |
3 |
Fließt, o fließt nun ungeseh’n, ihr Thränen! |
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Herz! du bist jezt deiner Fesseln los! |
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Hüllt mich ein, ihr nächtlich schwarzen Schatten; |
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Seufzend sucht euch mein beklommnes Herz! |
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Finstrer Hain, ihr stillen grünen Matten, |
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Nur bei euch ergiesse sich mein Schmerz! |
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Ach! warum, warum bist du, o Seele, |
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Voll Gefühl, voll Lieb’ und voll Natur? |
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Ward, damit sie peinlicher dich quäle, |
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Dir die Fülle der Empfindung nur; |
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Der Empfindung, die die Welt verkennet, |
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Die sie stolz verlachet, kalt verhöhnt; |
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Die empor zu reinen Sphären brennet, |
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Und nach einer Unschuldwelt sich sehnt? |
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Thörichte! bist du genug geläutert, |
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Zu geniessen bessrer Welten Glück? |
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Schwaches Herz! wie oft bist du gescheitert, |
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Wie umwölkt ist noch dein trüber Blick! |
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Ach! nicht rein genug für höhre Freuden, |
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Noch nicht reif zum seligern Genuß, |
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Ist dies Herz; geläutert erst durch Leiden, |
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Werd’ ich werth der Engelschwestern Gruß! |
Details zum Gedicht „Klage“
Friederike Brun
6
24
152
1785
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das betrachtete Gedicht „Klage“ wurde von Friederike Brun, einer dänisch-deutschen Autorin, verfasst, die im 18. und 19. Jahrhundert lebte. Dieses Zeitfenster platziert sie in die Epoche der Romantik, in welcher sich Literatur, Kunst und Kultur auf Emotionalität und Individualismus konzentrierten.
Auf den ersten Blick lässt sich eine Melancholie und tiefe Traurigkeit beim Lesen des Gedichts feststellen, die das Herz des lyrischen Ichs dominiert. Das lyrische Ich ist auf der Suche nach einem Ort der Einsamkeit und sucht Trost in der Dunkelheit („Hingebeugt von bangem tiefem Sehnen, Such’ ich, Einsamkeit, ach’! deinen Schoos.“ - Vers 1 und 2), wahrscheinlich, um Kummer und Trauer alleine zu bewältigen („Fließt, o fließt nun ungeseh’n, ihr Thränen! Herz! du bist jezt deiner Fesseln los!“ - Vers 3 und 4).
Inhaltlich scheint das lyrische Ich mit seiner seelischen Belastung zu kämpfen, die ständig durch Emotionen und intensives Fühlen hervorgerufen wird. Es hinterfragt den Zweck dieser starken Emotionen und Empfindungen („Ach! warum, warum bist du, o Seele, Voll Gefühl, voll Lieb’ und voll Natur?“ - Vers 9 und 10) und erkennt gleichzeitig die Kräfte und Reinigungen, die durch Leiden und Schmerzen in seinem Herzen freigesetzt werden („Ach! nicht rein genug für höhre Freuden, Noch nicht reif zum seligern Genuß, Ist dies Herz; geläutert erst durch Leiden, Werd’ ich werth der Engelschwestern Gruß.“ - Vers 21 bis 24).
Das Gedicht ist in einer strengen formalen Struktur verfasst, jede Strophe besteht aus vier Versen und das gesamte Gedicht enthält sechs Strophen. Die Sprache des Gedichts ist geprägt von romantischer Bildlichkeit, und der Ausdruck der Emotionen ist sehr intensiv. Das lyrische Ich verwendet zum Ausdruck seiner Empfindungen oft die direkte Anrede („Einsamkeit“, „Herz“, „Schatten“, „Seelen“), was auf seine Intensität und Herzenswahrheit hinweist. Das Gedicht enthält auch viele Interjektionen („Ach!“), die die tiefe Emotion unterstreichen.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass „Klage“ ein typisches Gedicht der Romantik ist, in dem das lyrische Ich seine innere Welt mit all ihren Empfindungen und Emotionen ausdrückt und sich dabei nach Reinigung und Erlösung durch den Schmerz sehnt. Die emotive Sprache und Struktur des Gedichts spiegeln den Seelenzustand des lyrischen Ichs wider und laden den Leser dazu ein, sich in seine Sichtweise und sein Erleben einzufühlen.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Klage“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Friederike Brun. Im Jahr 1765 wurde Brun in Gräfentonna geboren. Im Jahr 1785 ist das Gedicht entstanden. Zürich ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 152 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Friederike Brun ist auch die Autorin für das Gedicht „An Augusta“, „An Schulz und Voß“ und „An Selma Gerstenberg“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Klage“ weitere 58 Gedichte vor.
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Zum Autor Friederike Brun sind auf abi-pur.de 58 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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