Kassel (Die Karpfen in der Wilhelmstraße 15) von Joachim Ringelnatz

Man hat sie in den Laden
In ein intimes Bassin gesetzt.
Dort dürfen sie baden.
Äußerlich etwas ausgefranst, abgewetzt –
Scheinen sie inwendig
Doch recht lebendig.
Sie murmeln Formeln wie die Zauberer,
Als würde dadurch ihr Wasser sauberer.
Sie kauen Mayonnaise stumm im Rüssel
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Und träumen sich gegen den Strich rasiert,
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Sodann geläutert, getötet, erwärmt und garniert
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Auf eine silberne Schüssel.
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Sie enden in Kommerzienräten,
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Senden die witzigste von ihren Gräten
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In eine falsche Kehle.
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Und ich denke mir ihre Seele
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Wie eine Kellerassel,
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Die Kniebeuge übt. – – –
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Ja und sonst hat mich in Kassel
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Nichts weiter erregt oder betrübt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Kassel (Die Karpfen in der Wilhelmstraße 15)“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1933
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kassel (Die Karpfen in der Wilhelmstraße 15)“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz war bekannt für seinen besonderen Humor und seine lyrischen Texte, die oft Alltagssituationen und -beobachtungen verarbeiteten. Das Gedicht wurde entsprechend vermutlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert veröffentlicht.

Das Gedicht fesselt den Leser von Anfang an durch den ungewöhnlichen Einstieg in das Sujet, nämlich einen Blick auf Karpfen in einem städtischen Bassin. Das lyrische Ich beschreibt die Fische und liefert einen humorvollen und zugleich absurden Kommentar über ihr Schicksal. Dabei gibt eine gewisse Melancholie den Ton an, die durch die absurde und humoristische Darstellung gemildert wird.

Inhaltlich geht es in diesem Gedicht um die Beobachtung von Karpfen in einem städtischen Bassin und deren möglichen Tod, verkauft und gegessen von den Menschen. Das lyrische Ich deutet ihre Bewegungen und Verhaltensweisen auf humorvolle Weise als zeichen ihres Schicksals, dem sie sich letztlich nicht entziehen können. Sie scheinen ihre bevorstehende Tötung und den Verzehr zu vermuten, was das lyrische Ich zu Assoziationen mit Magiern und zu Gedanken über ihre Seele anregt.

Die Form des Gedichts ist traditionell mit abwechselnden Reim in fünf Strophen unterteilt. Die Verse sind unterschiedlich lang, was dem Rhythmus und der Stimmung des Gedichts eine gewisse Dynamik verleiht. Die Sprache ist einfach und klar, dabei aber metaphorisch und bildreich. Ringelnatz verwendet Alltagswörter und -ausdrücke, um die groteske Situation der Karpfen humorvoll und gleichzeitig treffend darzustellen.

Schließlich schließt das lyrische Ich mit der Bemerkung, dass es in Kassel nichts weiter Interessantes oder Bewegendes gefunden hat. Dies bringt eine Art enttäuschte Erwartung oder Sehnsucht nach mehr zum Ausdruck, die Jahre später posthum mit der Umbenennung einer Straße in Kassel in „Ringelnatzweg“ gewürdigt wurde. Es bleibt dabei offen, ob sich diese Aussage eher auf die Stadt an sich oder auf die banale, doch bewegende Szene mit den Karpfen bezieht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Kassel (Die Karpfen in der Wilhelmstraße 15)“ ist Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1933 zurück. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 98 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit nur einer Strophe. Die Gedichte „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Kassel (Die Karpfen in der Wilhelmstraße 15)“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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