Karneval von Leo Greiner

Wer bist du, Mädchen, ich kenne dich nicht!
Wie heißeres Lachen schlagen die Schellen,
Und reines Glückes feurige Wellen
Tanzen mir ins Gesicht.
Grell zucken Lichter
Und küssen im Tanz
Hüpfend die brennenden Narrengesichter.
Hektischer Glanz,
Firlefanz
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Umrieselt das tolle Gelichter.
 
11 
Und plötzlich, Mädchen, kenn’ ich dich.
12 
An deinem Lachen kenn’ ich dich.
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Kein Narrengelächter, von Tänzen trunken,
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Ein Lachen, das leise und versunken
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Hallt aus großer Einsamkeit,
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Aus einem Walde tief verschneit,
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Wo keine Lippen lauter sprechen
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Und keine Tritte Zweige brechen.
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Dort kann ich dich auf tiefstillen Wegen
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Hinwandern sehn,
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Dem Dunkel entgegen,
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Der traurigen Nacht.
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Deine junge Lippe schwermütig lacht
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Im Weitergehn.
 
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Komm, Mädchen, ich will dich umfassen
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Und dich nicht lassen,
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In Trubel und Hassen
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Bist du mein.
 
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Den Becher werf’ ich klingend zur Erde
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Es springt der Wein.
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Stehst nun auf gläsernen Scherben,
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So soll verderben
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Der irrende Schein.
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Laß tanzen und fliegen!
35 
In trunkenen Zügen
36 
Saug’ ich über den flatternden Lügen
37 
Den glühenden Wein deines Leibes ein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Karneval“

Autor
Leo Greiner
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1903
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Karneval“ wurde von Leo Greiner, einem deutschsprachigen Schriftsteller aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verfasst. Seine Geburts- und Todesdaten (1. April 1876 bis 21. August 1928) platzieren sein Wirken in eine Zeit der kulturellen und gesellschaftlichen Veränderung, was möglicherweise in einigen seiner Werke reflektiert wird.

Beim ersten Lesen fällt die Festlichkeit und Fröhlichkeit auf, die im Titel angesprochen wird und die die ersten vier Verse zu verkörpern scheinen. Doch unter dieser hellen Fassade zeigt sich rasch eine melancholischere Stimmung.

Inhaltlich handelt das vorliegende Gedicht von einer Begegnung während eines Karnevalsfestes. Das lyrische Ich entdeckt ein Mädchen in der Menge und durch sein fröhliches Lachen und seine leuchtenden Augen verliebt er sich unsterblich in sie. Dieses Mädchen jedoch scheint mehr als nur eine fröhliche Festbesucherin zu sein - sie verströmt eine Melancholie, die das lyrische Ich anspricht. Sie scheint aus einer „großen Einsamkeit“ zu kommen und ihre Lachen hat einen „schwermütigen“ Unterton. Trotz des lauten und hektischen Festes, ist die Verbindung mit diesem Mädchen stark und das lyrische Ich verspricht, sie nicht loszulassen.

Greiner nutzt eine einprägsame Sprache und eine Vielzahl von Bildern, um sowohl das hektische, wilde Karnevalsfest als auch die stillere, innere Welt des Mädchens darzustellen. Die Verse wechseln zwischen kurzen, eindringlichen Aussagen und längeren, bildhaften Beschreibungen. Die Form der vier Strophen gibt der Geschichte Struktur und Tempo, während Greiners Wortwahl und Bilder eine intensive Atmosphäre schaffen.

Die Feierlichkeit des Karnevals wird durch Wörter wie „heißeres Lachen“, „glühender Wein“, „tanzende Lichter“ und „brennende Narrengesichter“ symbolisiert. Gleichzeitig stehen diese Bilder im Kontrast zu den ruhigeren Beschreibungen des Mädchens, die „tief verschneit“, „leise und versunken“ und „schwermütig“ ist. Das lyrische Ich scheint durch die Maske der Narretei hindurchzusehen und das anspruchsvolle Wesen des Mädchens wahrzunehmen. Die letzten Verse des Gedichts lassen darauf schließen, dass das lyrische Ich sich danach sehnt, sich der Wahrheit hinter der Maske zu nähern und sie zu umarmen.

„Karneval“ präsentiert sich somit als ein Gedicht, das auf den ersten Blick fröhlich und feierlich wirkt, jedoch tiefergehende Themen berührt und den Leser dazu anregt, über die Bedeutung von Masken und Authentizität nachzudenken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Karneval“ des Autors Leo Greiner. Greiner wurde im Jahr 1876 in Brünn (Brno) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1903 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 37 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 163 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Leo Greiner sind „Unter den Menschen“ und „Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Karneval“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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