Kaiser Rudolf von Rainer Maria Rilke
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Hoch auf seiner Himmelswarte |
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über einer Sternenkarte |
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sitzt der Kaiser Rudolf dort, |
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forschend, ob der langerharrte |
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Flugstern, der die Weisen narrte, |
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streifen würde diesen Ort. |
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Und er fragt den Astrologen, |
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der am hohen Himmelsbogen |
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alle Wandelwege weiß: |
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»Wird von Unglück der betrogen, |
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den der Stern hineingezogen |
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in den unheilvollen Kreis?« |
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Und der Alte weicht ihm leise |
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aus: »Der Stern zieht seine Gleise, |
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Herr, im fernen Ätherreich!« |
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Und gen Süden sieht der Weise; — |
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und der Kaiser schaut die Kreise |
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seines Globen, ernst und bleich. — |
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Und von Süden kommt Verderben, |
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kommt Matthias. — Eilge Erben |
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lassen ihm nur den Hradschin; |
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und der Kaiser spricht im herben |
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Spott: »Mir bleibt nichts, als zu sterben, |
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denn schon bin ich tot für ›ihn‹. |
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Alter! Laß den Blick uns heben! |
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du hast recht, die Sterne schweben |
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hoch ob allem Erdenbann; |
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aber — die nach ihnen streben, |
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knüpfen selbst ihr dunkles Leben |
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an die lichten Lose an! « |
Details zum Gedicht „Kaiser Rudolf“
Rainer Maria Rilke
5
30
148
nach 1891
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Kaiser Rudolf“ stammt von Rainer Maria Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker der Moderne, der von 1875 bis 1926 lebte.
Beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht einen historischen und gleichzeitig metaphysischen Eindruck, da es sowohl eine tatsächliche historische Figur - Kaiser Rudolf - als auch Sterne und astrologische Weisheiten einbindet.
Inhaltlich handelt das Gedicht von Kaiser Rudolf, der auf seiner Himmelswarte sitzt und über eine Sternenkarte nachdenkt. Er ist daran interessiert zu wissen, ob der langersehnte Stern die Erde streifen würde. Er stellt Fragen zum Schicksal, die von Unglück und Verderben handeln. Trotz des heraufziehenden Verderbens bleibt der Kaiser gelassen, erkennend, dass die Menschen selbst ihr Schicksal an die Sterne binden.
Rilke personifiziert in diesem Gedicht Kaiser Rudolf als eine reflektive und weise Figur, die das Unabwendbare akzeptiert. Es geht um Konzepte der Prädestination und des freien Willens und es spielt auf den historischen Zusammenhang an, dass Rudolf aus seiner Position durch Matthias verdrängt wurde.
Die Form des Gedichts ist geprägt durch Strophen mit je sechs Versen, was ihm eine klare Struktur verleiht. Rilke verwendet eine recht formelle und teils archaisierende Sprache, die dem historischen Thema entspricht und eine feierliche, ernste Stimmung erzeugt.
Interessant ist auch der Gebrauch von Zeichen und Symbolen: Sterne und Himmelskörper als Ausdruck des Schicksals und der Astrologie, der Globus als Metapher für Macht und Herrschaft, und der illusionsbrechende Zynismus des Kaisers im Angesicht des bevorstehenden Untergangs.
Schließlich weist das Gedicht eine formale Gleichmäßigkeit auf, die durch Rilkes präzise Gedichtform unterstützt wird. Gleichzeitig erzeugt die Interaktion zwischen dem Kaiser und dem Alten ein Spiel der Perspektiven, das den Leser dazu bringt, über Schicksal, Macht und Wahrheit nachzudenken.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Kaiser Rudolf“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1891 bis 1926 entstanden. Erschienen ist der Text in Frankfurt am Main. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 148 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“. Zum Autor des Gedichtes „Kaiser Rudolf“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.
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