An der Ecke von Rainer Maria Rilke
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Der Winter kommt und mit ihm meine Alte, |
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die an der Ecke stets Kastanien briet. |
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Ihr Antlitz schaut aus einer Tücherspalte |
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froh und gesund, ob Falte auch bei Falte |
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seit vielen Jahren es durchzieht. |
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Und tüchtig ist sie, ja, das will ich meinen; |
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die Tüten müssen rein sein, und das Licht |
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an ihrem Stand muß immer helle scheinen, |
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und von dem Ofen mit den krummen Beinen |
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verlangt sie streng die heiße Pflicht. |
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So trefflich schmort auch keine die Maroni. |
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Dabei bemerkt sie, wer des Weges zieht, |
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und alle kennt sie – bis zum Tramwaypony; |
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sie treibts ja Jahre schon, die alte Toni … |
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Und leise summt ihr Herd sein Lied. |
Details zum Gedicht „An der Ecke“
Rainer Maria Rilke
3
15
108
nach 1891
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An der Ecke“ wurde von Rainer Maria Rilke verfasst, einem wichtigen Vertreter der deutschsprachigen Lyrik, der zwischen 1875 und 1926 lebte. Obwohl keine spezifische Jahreszahl für das Gedicht vorliegt, können wir es dennoch der Epoche der Moderne (etwa 1890-1930) zuordnen, da das die aktive Schreibperiode von Rilke war.
Auf den ersten Blick scheint dieses Gedicht die eindrucksvolle Darstellung einer scheinbar banalen Alltagsszene zu sein – eine alte Frau, die im Winter Kastanien röstet. Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich eine alte Frau, die der Winter auf den Plan ruft. Stets von derselben Ecke aus brät sie Kastanien. Die Alte wirkt trotz ihres Alters und der damit einhergehenden Falten froh und gesund. Sie wird als tüchtig und pflichtbewusst dargestellt, sie achtet auf Sauberkeit, sorgt für helles Licht an ihrem Stand und erwartet, dass ihr Ofen gut funktioniert. Weiter wäre zu erwähnen, dass sie eine Meisterin in der Zubereitung der Maroni (Kastanien) ist – und während sie das tut, beobachtet sie aufmerksam das Treiben um sie herum. Sie kennt jeden – vom Passanten bis zum Kutscher. Mit diesem Bild arbeitet das Gedicht auf einer tieferen Ebene und erzählt uns viel über die Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und der alten Frau. Vielleicht ist sie eine Art Symbol für Beständigkeit und Zuverlässigkeit – eine Konstante im sich ständig verändernden städtischen Leben.
Im Hinblick auf Form und Sprache ist das Gedicht in drei Strophen zu je fünf Versen unterteilt. Jeder Vers ist durch einen prägnanten und klaren Stil gekennzeichnet, der für Rilkes Arbeit typisch ist. Der einfache, beschreibende Sprachgebrauch ohne komplizierte Metaphern oder Symbolik ermöglicht es uns, ein lebendiges und anschauliches Bild von der alten Frau und ihrem Alltag zu zeichnen. Die wiederkehrenden sprachlichen Bilder, insbesondere das der Kastanien, tragen dazu bei, eine gemütliche und vertraute Atmosphäre zu schaffen, die das alltägliche Leben ehrt. Es spiegelt die Achtung des lyrischen Ichs für die alte Frau und ihre Beständigkeit wider.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „An der Ecke“ ist Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Im Zeitraum zwischen 1891 und 1926 ist das Gedicht entstanden. Frankfurt am Main ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 108 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Absaloms Abfall“, „Adam“ und „Advent“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An der Ecke“ weitere 338 Gedichte vor.
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