Jetzt wohin? von Heinrich Heine
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Jetzt wohin? Der dumme Fuß |
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Will mich gern nach Deutschland tragen; |
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Doch es schüttelt klug das Haupt |
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Mein Verstand und scheint zu sagen: |
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Zwar beendigt ist der Krieg, |
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Doch die Kriegsgerichte blieben, |
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Und es heißt, du habest einst |
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Viel Erschießliches geschrieben. |
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Das ist wahr, unangenehm |
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Wär’ mir das Erschossen-werden; |
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Bin kein Held, es fehlen mir |
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Die pathetischen Geberden. |
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Gern würd’ ich nach England geh’n, |
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Wären dort nicht Kohlendämpfe |
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Und Engländer – schon ihr Duft |
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Giebt Erbrechen mir und Krämpfe. |
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Manchmal kommt mir in den Sinn |
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Nach Amerika zu segeln, |
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Nach dem großen Freiheitstall, |
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Der bewohnt von Gleichheits-Flegeln – |
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Doch es ängstet mich ein Land, |
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Wo die Menschen Tabak käuen, |
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Wo sie ohne König kegeln, |
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Wo sie ohne Spuknapf speien. |
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Rußland, dieses schöne Reich, |
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Würde mir vielleicht behagen, |
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Doch im Winter könnte ich |
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Dort die Knute nicht ertragen. |
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Traurig schau ich in die Höh’, |
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Wo viel tausend Sterne nicken – |
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Aber meinen eignen Stern |
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Kann ich nirgends dort erblicken. |
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Hat im güldnen Labyrinth |
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Sich vielleicht verirrt am Himmel, |
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Wie ich selber mich verirrt |
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In dem irdischen Getümmel. – |
Details zum Gedicht „Jetzt wohin?“
Heinrich Heine
9
36
174
1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Jetzt wohin?“ wurde von Heinrich Heine geschrieben, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Heine lebte von 1797 bis 1856, was das Gedicht in die Epoche der Romantik einordnet.
Beim ersten Eindruck fällt auf, dass das lyrische Ich in diesem Gedicht unsicher und orientierungslos wirkt, auf der Suche nach einem Ort, an den es gehören könnte. Es scheint zwischen verschiedenen Ländern hin und her zu pendeln, findet aber bei keinem eine Zufriedenheit oder eine wahre Heimat.
Im Inhalt des Gedichts geht es um das lyrische Ich und seinen Zwiespalt zwischen der Sehnsucht nach Heimat und der Realität in verschiedenen Ländern. Es scheint einen Zwiespalt zwischen seinem „dummen Fuß“ und seinem „klugen Verstand“ zu geben, der es in verschiedene Richtungen zieht. Deutschland, das seine Heimat sein könnte, wird durch Krieg und Zensur unattraktiv gemacht. England, andere europäische Länder und selbst Amerika, das Land der Freiheit, werden ebenfalls durch verschiedene Aspekte unattraktiv gemacht. Es äußert Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen und einzelnen Verhaltensweisen der Bewohner in den verschiedenen Ländern. Gegen Ende des Gedichts sucht das lyrische Ich seinen persönlichen Stern am Himmel, doch kann ihn nicht finden - ein Symbol für die eigene Orientierungslosigkeit und Vertreibung.
In Bezug auf Form und Sprache fallen verschiedene Dinge auf. Das Gedicht hat einen deutlichen Rhythmus und Reimschema, was es trotz seiner schweren Thematik leicht und fließend macht. Es ist klar strukturiert mit neun gleich langen Strophen und jeweils vier Versen pro Strophe. Die Sprache ist direkt, fast schon plakativ mit einer gewissen Portion Ironie. Heine verwendet Alltagssprache und einfache Worte, kombiniert sie aber zu tiefsinnigen, philosophischen Fragen und Statements.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Jetzt wohin?“ ein lyrisches Werk ist, das den inneren Konflikt und die Orientierungslosigkeit eines Individuums in einer sich verändernden Welt darstellt. Heine nutzt seine scharfe Beobachtungsgabe und seinen kritischen Geist, um ein Bild von der Gesellschaft und der Welt zu malen, die sich im Wandel befinden und in der das Individuum seinen Platz sucht.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Jetzt wohin?“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1851. Hamburg ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 174 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Ach, ich sehne mich nach Thränen“, „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ und „Ahnung“. Zum Autor des Gedichtes „Jetzt wohin?“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.
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