Irre im Garten von Rainer Maria Rilke
Dijon
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Noch schließt die aufgegebene Karthause |
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sich um den Hof, als würde etwas heil. |
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Auch die sie jetzt bewohnen, haben Pause |
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und nehmen nicht am Leben draußen teil. |
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Was irgend kommen konnte, das verlief. |
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Nun gehn sie gerne mit bekannten Wegen |
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und trennen sich und kommen sich entgegen, |
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als ob sie kreisten, willig, primitiv. |
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Zwar manche pflegen dort die Frühlingsbeete, |
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demütig, dürftig, hingekniet; |
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aber sie haben, wenn es keiner sieht, |
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eine verheimlichte, verdrehte |
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Gebärde für das zarte frühe Gras, |
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ein prüfendes, verschüchtertes Liebkosen: |
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denn das ist freundlich, und das Rot der Rosen |
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wird vielleicht drohend sein und Übermaß |
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und wird vielleicht schon wieder übersteigen, |
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was ihre Seele wiederkennt und weiß. |
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Dies aber läßt sich noch verschweigen: |
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Wie gut das Gras ist und wie leis. |
Details zum Gedicht „Irre im Garten“
Rainer Maria Rilke
5
20
123
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht stammt von Rainer Maria Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker der literarischen Moderne, der von 1875 bis 1926 lebte.
Schon beim ersten Lesen fällt eine bedrückende, melancholische Stimmung auf, die sich durch das gesamte Gedicht zieht. Die Szenerie ist in einem stillgelegten Klostergarten, einer Karthause, angesiedelt und seine Bewohner scheinen von der Welt abgeschnitten.
Inhaltlich geht es um die entfremdeten Bewohner der Karthause, die sich vom Leben außerhalb abgewandt haben und nur noch routinierte Wege in ihrer abgeschiedenen Welt gehen. In ihren alltäglichen Tätigkeiten wirken sie demütig und zurückgenommen. Sie haben eine heimliche Beziehung zur Natur, speziell zum zarten, frühen Gras. Die Farbe und Fülle der Rosen könnte ihnen jedoch drohend und überwältigend erscheinen. Das Gras mit seiner Freundlichkeit und Stillheit hingegen ist etwas, das ihre Seele kennt und versteht.
Das lyrische Ich betont hier eine Entfremdung der Menschen von der Natur, die paradoxerweise inmitten der Natur stattfindet. Diese Entfremdung wird durch ihre heimliche Verbindung zum Gras auf der einen Seite, und ihre Angst vor der lebendigen Farbe und Fülle der Rosen auf der anderen Seite, unterstrichen.
In Form und Sprache zeigt das Gedicht die typischen Merkmale Rilkes: eine klare, präzise Sprache und eine einfache, strukturierte Form. Es besteht aus fünf Strophen zu je vier Versen. Die Worte sind sorgfältig ausgewählt und erzeugen eine bildhafte, intensive Atmosphäre. Die genaue Beschreibung der Bewegungen und Gefühle der Menschen macht die Entfremdung und Einsamkeit greifbar. Die ruhige, beherrschte Sprache erzeugt eine Stimmung der Resignation und Melancholie, die zum Thema des Gedichts passt.
Abschließend lässt sich sagen, dass Rilkes „Irre im Garten“ eine tiefsinnige Reflexion über die existenzielle Krise des modernen Menschen ist. Es thematisiert die Entfremdung des Menschen von der Natur und dem Leben, die innere Leere und Isolation in einer überwältigenden Welt und das Verlangen nach Einfachheit, Stille und Verständnis.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Irre im Garten“ ist Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1918 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 123 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Abend“, „Abend“ und „Abend“. Zum Autor des Gedichtes „Irre im Garten“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.
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