In der Stadtbahn von Klabund

Ein feiles Mädchen, schön und aufgetakelt,
ihr gegenüber, grün und unbemakelt,
ein Jüngling, dessen Hände sanft behüten
zwei Veilchensträußchen in den Seidendüten.
Sie sieht ihn an. Er lächelt traurig blöde:
Mein Gott, wie wird das heute wieder öde
bei Tante Linchen, die Geburtstag feiert. –
 
Die Dame hat sich nunmehr ganz entschleiert.
Da ist er hingerissen, starrt ein Weilchen,
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und reicht ihr wortlos alle seine Veilchen.
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Nun hat er nichts, für Tante kein Präsent …
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Er wundert sich – das schöne Fräulein flennt:
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Und ihre blassen Tränen auf die blauen
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Märzveilchen wie Gelübde niedertauen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „In der Stadtbahn“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
91
Entstehungsjahr
1927
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „In der Stadtbahn“ wurde von Klabund verfasst, der von 1890 bis 1928 lebte. Das verortet das Gedicht somit in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts, eine Epoche großer gesellschaftlicher Umbrüche und der Avantgarde in Kunst und Literatur.

Beim ersten Eindruck weckt das Gedicht Assoziationen an eine Alltagssituation, die sich aber in einen unerwarteten Moment der Romantik und Emotionalität verwandelt.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein junger Mann und ein „feiles Mädchen“, wahrscheinlich eine Prostituierte, treffen in einer Stadt-Bahn aufeinander. Der junge Mann trägt zwei Veilchensträuße bei sich, die für seine Tante Linchen bestimmt sind, die ihren Geburtstag feiert. Als das Mädchen sich ihm gegenüber völlig entblößt, ist er so hingerissen, dass er ihr spontan alle seine Veilchen schenkt. Das berührt das Mädchen so sehr, dass es anfängt zu weinen.

Durch dieses Erlebnis wird zum einen die Spontaneität und Unvorhersehbarkeit menschlicher Begegnungen und Gefühle betont. Das Geschenk des jungen Mannes und die Tränen des Mädchens können als Symbol für die menschliche Fähigkeit zur Empathie und für den Reichtum der menschlichen Erfahrung interpretiert werden, auch in scheinbar banalen Situationen.

In Bezug auf die Form des Gedichts fällt auf, dass es in zwei Strophen von jeweils sieben Versen unterteilt ist. Jede Strophe stellt eine abgeschlossene Modelität dar: In der ersten wird die Einführung der Charaktere und ihrer Situation dargestellt, während in der zweiten die entscheidende Handlung und deren emotionale Auswirkungen geschildert werden.

Die Sprache des Gedichts ist recht schlicht und klar, was den Kontrast zwischen dem alltäglichen Geschehen und den Intensität der Gefühle verstärkt. Es sind jedoch auch einige bildhafte Ausdrücke zu finden, etwa wenn die Tränen des Mädchens als „Gelübde“ bezeichnet werden, die auf die Veilchen hinab „tauen“.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „In der Stadtbahn“ des Autors Klabund. Klabund wurde im Jahr 1890 in Crossen an der Oder geboren. 1927 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 91 Worte. Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Bauz“, „Berliner Ballade“ und „Berliner Mittelstandsbegräbnis“. Zum Autor des Gedichtes „In der Stadtbahn“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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