In Reih und Glied von Rudolf Lavant
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Als ihr in eurem finstern Hasse |
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Das drohende Gesetz erdacht, |
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Das uns zu Deutschen zweiter Klasse |
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Mit einem Federstrich gemacht, |
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Da ward gefühlt und eingesehen |
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Von allen ohne Unterschied; |
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„Wir können hier nur widerstehen |
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In Reih und Glied.“ |
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Wir ließen schweigend uns verdammen, |
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Verstoßen uns vom Vaterland, |
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Und schweigend rückten wir zusammen, |
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Bis Schulter man an Schulter stand. |
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An Spree und Belt, am Rhein, in Sachsen |
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Erklang der Gegner Unkenlied; |
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Wir fühlten Allem uns gewachsen |
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In Reih und Glied. |
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Und als nach bangen, schwülen Wochen, |
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In denen keiner feig gebebt, |
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Das finstre Wetter losgebrochen, |
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Das drohend über uns geschwebt, |
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Als laue Freunde ab sich wandten |
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Und die Geächteten man mied, |
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Da haben mannhaft wir gestanden |
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In Reih und Glied. |
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Es ist kein Kinderspiel gewesen, |
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Ja oftmals seelische Tortur, |
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Und staunend wird der Enkel lesen, |
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Was seinen Ahnen widerfuhr; |
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Doch sagen ihm vergilbte Blätter: |
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Sie wußten nichts mehr, was sie schied; |
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Sie standen fest in Sturm und Wetter |
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In Reih und Glied. |
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Wie weit wir spähten in der Runde – |
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Es waren Feinde, was wir sahn; |
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Gewalt hat, mit der List im Bunde, |
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An uns ihr Aeußerstes gethan. |
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So mancher sank zu unserm Trauern, |
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Der nie den Tag des Sieges sieht, |
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Wir aber standen wie die Mauern |
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In Reih und Glied. |
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Nie hat ein augenblicklich Schwanken |
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Die feste Ordnung übermannt; |
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Wir haben einen Gluthgedanken |
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Und eine Hoffnung nur gekannt. |
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Der Thränen viele sind geflossen, |
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Doch nun das Wetter sich verzieht, |
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Sieht staunend uns die Welt geschlossen |
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In Reih und Glied. |
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So unser Haß, wie unser Lieben, |
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Das an den höchsten Zielen hing, |
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Sie sind, ein Fels im Meer, geblieben, |
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Und nur der Kanzler war’s, der ging. |
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Sein Fürstenmantel ward den Motten |
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Zum unbestrittenen Gebiet, |
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Nur wir, wir stehn in starren Rotten, |
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In Reih und Glied. |
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Nach solchen unerhörten Siegen, |
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Errungen über Macht und List, |
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Mag sich ein Thor im Wahne wiegen, |
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Es komme nun der innre Zwist. |
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Wann ward zum ausgemachten Narren |
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Der Mann, der auf dem Gegner kniet? |
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Wir werden, was nun kommt, erharren |
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In Reih und Glied! |
Details zum Gedicht „In Reih und Glied“
Rudolf Lavant
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64
338
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „In Reih und Glied“ stammt vom Dichter Rudolf Lavant, der zwischen 1844 und 1915 lebte. Somit ist das Gedicht zeitlich in die Epoche des Realismus einzuordnen, die aus Sicht der Literaturgeschichte zwischen 1850 und 1890 angesiedelt ist. Unter dem Einfluss von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland thematisiert das Gedicht Ausgrenzung und Widerstand, was auf die realistischen Tendenzen der Epoche hinweist, gesellschaftliche Konflikte literarisch zu reflektieren.
Der erste Eindruck des Gedichts ist beeindruckend und emotional. Der Leser wird mitgenommen auf eine Reise durch Zeiten des Widerstands und des Zusammenhalts. Das lyrische Ich adressiert eine anonyme „ihr„-Gruppe, die für ein Gesetz verantwortlich ist, welches bestimmte Menschen zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Das lyrische Ich bezeugt, wie sich diese Gruppe zusammengeschlossen und trotz aller Widerstände Standhaftigkeit und Würde bewahrt hat.
Der Inhalt des Gedichts zeugt vom Kampf gegen eine ungerechte Gesetzgebung, von der Entfremdung vom eigenen Vaterland, dem solidarischen Zusammenhalt angesichts von Feindseligkeiten und dem beharrlichen Bestehen in Krisenzeiten. Die wiederkehrende Zeile „In Reih und Glied“ unterstreicht die Bedeutung von Disziplin und Einigkeit als Antwort auf Ungerechtigkeit und Unterdrückung.
Die Form des Gedichts ist durch gleichbleibend acht Verse pro Strophe gekennzeichnet. Die strenge Form spiegelt die Thematisierung von Ordnung und Struktur wider, die im Inhalt des Gedichts zentral ist. Im Hinblick auf die Sprache fällt auf, dass das Gedicht in einer eher formalen, altertümlichen Sprache – vermutlich dem Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts entsprechend – verfasst ist. Ebenfalls auffällig sind die vielen Kontraste und Gegensätze, die im Gedicht thematisiert werden (Finsternis und Hoffnung, Hass und Liebe, Stolz und Verleugnung), was auf den inneren Konflikt hinweist, den die Protagonisten durchleben.
Insgesamt kann das Gedicht „In Reih und Glied“ als Ausdruck von Entfremdung, Widerstand und Solidarität in Zeiten der Unterdrückung interpretiert werden. Es zeugt von der Bedeutung von Gemeinschaft und Einigkeit als Waffe gegen Ungerechtigkeit und zeigt auf eindrucksvolle Weise die Kraft und Würde der Unterdrückten.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „In Reih und Glied“ ist Rudolf Lavant. Im Jahr 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. 1893 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 338 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 64 Versen. Die Gedichte „An la belle France.“, „Bekenntnis“ und „Das Jahr“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „In Reih und Glied“ weitere 96 Gedichte vor.
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Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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