In Betrachtung eines Teppichs von Joachim Ringelnatz
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Schön bist du, obwohl abgetreten, |
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Viele Füße gingen hin und her |
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Und kreuz und quer |
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Über dich. – |
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Bei Tapeten |
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Kommt das nicht vor (ist zu schwer). |
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Wechselnd saugen sie an dir, schlagen |
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Und trampeln dich bei Tag und bei Nacht. |
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Und du hast so viel Behagen |
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In diese Wohnung gebracht. |
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Mich interessiert nicht, wer dich gewebt |
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Hat, wo du geboren bist. |
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Mich interessiert nur, was in dir lebt. – |
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Dein Leben ist Zwist. |
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Ich fühle mich selber so ausgerollt |
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Ein Langeslang beschritten. |
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Nun das hat mein Schicksal so gewollt. |
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So wird auch ein Sattel zerritten. |
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So bleicht auch Farbe. So schrumpft die Wand. |
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Teils leuchtend, teils verschlissen, |
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Dienst du. – |
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Hast du – – Hat ein Gegenstand |
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Wohl ein Gewissen? – ? – ? |
Details zum Gedicht „In Betrachtung eines Teppichs“
Joachim Ringelnatz
8
23
116
1934
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „In Betrachtung eines Teppichs“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Künstler und Dichter, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte. Seinen Schaffenshöhepunkt hatte er in der Weimarer Republik, was ihn zeitlich dem literarischen Expressionismus zuordnet.
Der erste Eindruck ist geprägt von der Besonderheit und originalen Perspektive des Gedichts, das den Leser dazu einlädt, über einen Teppich nachzudenken - ein alltägliches Objekt, das oft übersehen wird. Es handelt sich um eine Art inneren Dialog oder Selbstbetrachtung des lyrischen Ichs, das sich mit dem Teppich als Metapher für das Leben identifiziert.
Das lyrische Ich beschreibt zuerst den Teppich als etwas Schönes, obwohl er abgenutzt und viel begangen ist. Der Teppich wird als stummer Zeuge des alltäglichen Lebens dargestellt, der die Abnutzung und Strapazen erträgt (Strophe 1 und 3). Im zweiten Teil des Gedichts (ab Strophe 4) wird die Identifizierung des lyrischen Ichs mit dem Teppich deutlich. Es interessiert sich nur für das, was im Teppich lebt, genauso wie es das eigene Leben betrachtet. Das lyrische Ich sieht sein eigenes Schicksal in der Darstellung des Teppichs reflektiert.
Die Form des Gedichts ist locker, mit Strophen unterschiedlicher Länge und Versen, die in freien Rhythmen geschrieben sind. Die Sprache ist einfach und alltagsnah, wodurch eine besondere Nähe zwischen dem lyrischen Ich und dem Leser geschaffen wird. Der abschließende Vers, in dem das lyrische Ich fragt, ob ein Gegenstand ein Gewissen hat, ist besonders eindrucksvoll und zeigt die Tiefe der menschlichen Identifikation, die Ringelnatz durch die Allegorie des Teppichs erreicht.
Die Metapher des Teppichs spiegelt somit das Thema Lebensweg und Schicksal wieder. Der Teppich steht für das Leben und dessen Abnutzung, für Erfahrungen und die Spuren, die das Leben hinterlässt. So wie der Teppich trotz Abnutzung und Gebrauch weiterhin seinen Dienst verrichtet und sogar Behagen in die Wohnung bringt, so geht das lyrische Ich seinen Weg im Einklang mit seinem Schicksal weiter - trotz aller Schwierigkeiten und Strapazen.
Weitere Informationen
Das Gedicht „In Betrachtung eines Teppichs“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. 1934 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 116 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 23 Versen. Die Gedichte „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „In Betrachtung eines Teppichs“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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