Im süßen Traum, bei stiller Nacht von Heinrich Heine
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Im süßen Traum, bei stiller Nacht, |
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Da kam zu mir, mit Zauberpracht, |
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Die lang ersehnte Liebste mein, |
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Und goß mir Gluth in’s Herz hinein. |
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Und wie ich schau’, erglüh ich wild |
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Und wie ich schau, sie lächelt mild, |
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Und lächelt bis das Herz mir schwoll, |
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Und stürmisch kühn das Wort entquoll: |
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„Nimm hin, nimm alles was da mein, |
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Mein Liebstes will ich gern dir weih’n, |
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Dürft’ ich dafür dein Buhle seyn, |
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Von Mitternacht bis Hahnenschrei’n.“ |
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Da staunt’ mich an gar seltsamlich, |
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So lieb, so weh, und inniglich, |
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Und sprach zu mir die schöne Maid: |
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So gieb mir deine Seligkeit. |
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„Mein Leben süß, mein junges Blut, |
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Gäb’ ich, mit Freud und wohlgemuth, |
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Für dich, o Mädchen engelgleich, – |
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Doch nimmermehr das Himmelreich.“ |
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Wohl braust hervor mein rasches Wort, |
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Doch blühet schöner immerfort, |
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Und immer spricht die schöne Maid: |
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O gieb mir deine Seligkeit! |
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Dumpf dröhnt dieß Wort mir in’s Gehör, |
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Und schleudert mir ein Gluthenmeer |
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Wohl in den tiefsten Seelenraum; |
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Ich athme schwer, ich athme kaum. – |
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Das waren weiße Engelein, |
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Die glänzten hell im Rosenschein; |
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Nun aber stürmte wild herauf |
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Ein gräulich schwarzer Koboldhauf’. |
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Die rangen mit den Engelein, |
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Und drängten fort die Engelein; |
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Und endlich auch die schwarze Schaar |
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In Nebelduft zerronnen war. – |
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Ich aber wollt’ in Lust vergehn, |
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Ich hielt im Arm mein Liebchen schön; |
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Wie’n Rehlein süß umschmiegt sie mich, |
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Doch weint sie auch recht bitterlich. |
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Feins Liebchen weint; ich weiß warum, |
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Und küß’ ihr Rosenmündlein stumm – |
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„O still’, feins Lieb, die Thränenfluth, |
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Gieb her, feins Liebchen nur Minnegluth.“ |
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„Ergieb dich meiner Minnegluth –“ |
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Da plötzlich starr’t zu Eis mein Blut; |
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Laut bebet auf der Erde Grund, |
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Und öffnet gähnend seinen Schlund. |
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Und aus dem Abgrund schwarz und graus |
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Stieg wild die schwarze Schaar heraus. |
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Aus meinen Armen schwand feins Lieb; |
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Ich ganz alleine stehen blieb. |
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Da tanzt im Kreise wunderbar, |
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Um mich herum, die schwarze Schaar, |
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Und drängt heran, erfaßt mich bald, |
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Und gellend Hohngelächter schallt. |
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Und immer enger wird der Kreis, |
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Und immer summt die Schauerweis’: |
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Du gabest hin die Seligkeit, |
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Gehörst uns nun in Ewigkeit! |
Details zum Gedicht „Im süßen Traum, bei stiller Nacht“
Heinrich Heine
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60
344
1817–1821
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Im süßen Traum, bei stiller Nacht“ wurde von Heinrich Heine verfasst. Heine, geboren am 13. Dezember 1797 und gestorben am 17. Februar 1856, war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Journalist der Romantik. Die genaue Datierung des Gedichts ist unklar, es ist jedoch anzunehmen, dass es im 19. Jahrhundert entstanden ist.
Bei dem Gedicht handelt es sich um einen monologischen Lyrismus, bei dem das lyrische Ich seine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in der ersten Person Singular ausdrückt. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht als eine szenische Darstellung eines Traums, der Elemente von Leidenschaft, Konflikt und Moral enthält.
Das lyrische Ich berichtet von einem nächtlichen Traum, in dem es die ersehnte Liebste trifft. Das Gedicht zeichnet sich durch eine intensive Darstellung der Leidenschaft und Sehnsucht aus, die das lyrische Ich für dieses Mädchen hat. Es beschreibt, wie das Mädchen ihm „Gluth in’s Herz“ gießt und wie er bereit wäre, alles zu opfern, um ihre Gunst zu gewinnen. Doch das lyrische Ich zeigt moralische Bedenken, als es von dem Mädchen aufgefordert wird, seine Seligkeit, das heißt seinen inneren Frieden und sein Seelenheil aufzugeben. Sogar vor der Hölle scheint das lyrische Ich nicht zurückzuschrecken, um seine Liebe zu gewinnen.
Heines Kunst zeigt sich in der Wahl der Verse und der Sprache des Gedichts. Das Gedicht besteht aus 60 Versen, die auf 15 vierzeilige Strophen verteilt sind. Die Abfolge von betonten und unbetonten Silben sorgt für einen melodischen Rhythmus. Das konsequente Reimschema ABAB trägt zur Harmonie und Einheitlichkeit des Gedichts bei. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, was die Emotionen und die innere Erfahrung des lyrischen Ichs hervorhebt.
Die Form und Sprache verleihen der zentralen thematischen Konfliktlinie zwischen irdischer Liebe und spiritueller Seligkeit des Gedichts eine tiefere Bedeutung. Diese Thematik ist typisch für die Romantik, in der das Individuum oft in einem moralischen Konflikt zwischen weltlichen und geistigen Werten steht. Abschließend lässt sich sagen, dass Heines Gedicht eine faszinierende Auseinandersetzung mit der Dynamik von Liebe, Leidenschaft, Moral und Selbstaufopferung darstellt. Dabei setzt der Dichter geschickt die sprachlichen und formalen Mittel der Lyrik ein.
Weitere Informationen
Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Im süßen Traum, bei stiller Nacht“. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1821 entstanden. Hamburg ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 344 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Altes Lied“, „Am Golfe von Biskaya“ und „Am Kreuzweg wird begraben“. Zum Autor des Gedichtes „Im süßen Traum, bei stiller Nacht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.
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