Im grauen Nachbarhause von Marie Eugenie Delle Grazie

Im grauen Nachbarhause
Sonnt sich tagaus, tagein
Auf schmalem Fenstersimse
Ein Kätzchen, schmuck und fein.
 
Es putzt die weißen Pfoten
Und blinzt mir in’s Gemach,
Am liebsten aber flög’ es
Den grauen Spatzen nach.
 
Die zwitschern in der Rinne
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Und streiten um ein Korn,
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Es gellt die halbe Straße
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Von ihrem lauten Zorn.
 
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Zwei Mönche wandern bettelnd
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Und müd’ von Haus zu Haus:
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Hier schmäht man sie, dort schreiten
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Sie fromm bedacht heraus.
 
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Die Eseltreiber nicken
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Auf ihren Karren ein,
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Und nur die Brunnen schwatzen
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Im lieben Sonnenschein;
 
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Und nur die Tauben flattern
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Erregt von Dach zu Dach –
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Da ruft Kanonendonner
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Die Mittagsglocken wach.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Im grauen Nachbarhause“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Im grauen Nachbarhause“ wurde von Marie Eugenie Delle Grazie verfasst, einer österreichischen Schriftstellerin, die von 1864 bis 1931 lebte. Somit kann das Gedicht in die Epoche des ausgehenden Realismus bis hin zum Beginn des Expressionismus eingeordnet werden.

Auf den ersten Eindruck vermittelt das Gedicht eine Szene des ländlichen Lebens, erzählt mit einer ruhigen und beschaulichen Sprache. Es lässt den Leser das Alltagsleben einer kleinen Gemeinde aus der Perspektive des lyrischen Ichs nachvollziehen, und vermittelt zugleich eine stille Beobachtung der kleinen Geschehnisse in dieser Umgebung.

Das Gedicht besteht aus sechs Strophen mit jeweils vier Versen. Es beginnt mit der Beschreibung eines kleinen Katzenjunges, das im gegenüberliegenden grauen Haus auf dem Fenstersims sitzt und die Sonne genießt. Es wird ein Kontrast zwischen der Einfachheit des Kätzchens und der Unruhe des Straßenlebens hergestellt, als es den Spatzen nachschaut, die hektisch um ein Korn kämpfen.

Das lyrische Ich hatte ursprünglich nur das Kätzchen im Auge, wird aber in der nächsten Strophe in die Szenerie der Straße hineingezogen, wo Mönche bettelnd von Haus zu Haus ziehen, auf die unterschiedlichste Weise reagiert wird. In der fünften Strophe schlafen die Eseltreiber auf ihren Karren ein, während die Brunnen weiterhin flüstern und die Tauben aufgeregt von Dach zu Dach fliegen, was die unaufhörliche Aktivität des Lebens widerspiegelt. Schließlich werden die Mittagsglocken durch den Donner von Kanonen geweckt, was eine interne Uhr der Dorfgemeinschaft signalisiert und den Zyklus des Alltags fortsetzt.

Das Gedicht ist in einem einfachen, klaren und anschaulichen Stil verfasst. Es ist reich an visuellen und akustischen Bildern und schafft so eine Atmosphäre des Alltäglichen und Vertrauten. Durch den Kontrast zwischen der ruhigen Beobachtungsposition des lyrischen Ichs und der lebhaften Aktivität der Dorfgemeinschaft untersucht das Gedicht Themen wie Ruhe und Unruhe, Einfachheit und Komplexität sowie den Kontrast zwischen menschlichen und tierischen Verhaltensweisen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Im grauen Nachbarhause“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Marie Eugenie Delle Grazie. Im Jahr 1864 wurde Delle Grazie in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. Im Jahr 1892 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Die Schriftstellerin Delle Grazie ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie sind „Abendsonnenschein“, „Abschied“ und „Addio“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Im grauen Nachbarhause“ weitere 71 Gedichte vor.

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