Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend von Klabund

Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend,
Nachts, roter Mond über dem Kleinhesseloher See,
Nebel über den Wiesen, Dämmerung vor meiner Seele –
Mir ist so schwach in den Knien vor Sehnsucht nach Dir.
 
Der Kutscher schläft. Das Pferd läuft im Halbschlaf.
Gott schläft. Die Erde rollt ziellos durch den Raum.
Ich bin überwach. Ich komme von Dir. Ich fahre zu Dir.
Alle Wege führen mich an Deine Brust.
 
Seit Wochen lasse ich Dutzende von Briefen uneröffnet liegen.
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Ich gehe nicht unter die Menschen. Sie sind mir widerlich.
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Mit einem kleinen Hund, einem melancholischen Rehpinscher, gehe ich gern spazieren
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Oder mit Dir.
 
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In dieser regnerischen kalten Einsamkeit
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Des tristen Sommers an mich hingeweht
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Wie ein Leuchtkäfer auf einen Grashalm –
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Ich spüre, daß ein Herz an meinem schlägt.
 
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Dein Mund springt manchmal auf wie eine rote, reife Feige.
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Nachts, roter Mond über dem Kleinhesseloher See,
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Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend,
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Hinter den Schläfen donnert der Niagara meiner Sehnsucht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
158
Entstehungsjahr
1925
Epoche
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus,
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Autor des Gedichtes ist Klabund, bürgerlich Alfred Henschke, geboren am 4. November 1890 und verstorben am 14. August 1928. Klabund war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer, der insbesondere für seine expressionistische Lyrik, seine kritischen Schriften und seine Übersetzungen chinesischer Literatur bekannt ist. Das Gedicht stammt also aus der Epoche des Expressionismus, die zwischen 1910 und 1925 angesetzt werden kann.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist geprägt von einer intensiven Sehnsucht des lyrischen Ichs und einer eher düsteren, teilweise melancholischen Stimmung. Dem lyrischen Ich wird vom Leser eine tiefe innerliche Zerrissenheit und Traurigkeit zugeschrieben, die in scharfem Kontrast zur landschaftlichen Schönheit des Englischen Gartens steht, der den Hintergrund für diese lyrische Präsentation bildet.

Inhaltlich thematisiert das Gedicht die tiefe emotionale Verbundenheit und Sehnsucht des lyrischen Ichs nach einer nicht näher definierten Person, zu der es im Wagen unterwegs ist. Der Autor beschreibt die Einsamkeit und das Gefühl des Alleinseins im Angesicht dieser unerklärbar tiefen Sehnsucht. Dies wird durch die wiederholten und intensiven Anspielungen auf den roten Mond und den englischen Garten unterstrichen.

Formal ist das Gedicht in fünf Strophen unterteilt, jede bestehend aus vier Versen. Die Versform ist frei und nicht durch Reim oder metrische Strukturen gebunden. Die sprachliche Gestaltung des Gedichts ist stark metaphorisch und symbolisch. Die wiederkehrende Verwendung der Farbe Rot, die Beschreibung des Mondes, des Sees und des Gartens dienen als symbolische Darstellung der emotionalen Landschaft des lyrischen Ichs. Besonders hervorzuheben ist der Vergleich des eigenen Herzensschlags mit dem eines Leuchtkäfers und der Niagara-Wasserfall als Bild für die überwältigende Kraft der eigenen Sehnsucht.

Der melancholische Ton des Textes, die Wiederholung von bestimmten Motiven und der kräftige symbolische Ausdruck zeichnen das Gedicht als typisches Beispiel für Klabunds expressionistisches Schaffen. Es spiegelt die innere Unruhe, die Entfremdung und die tiefe Sehnsucht der Epoche wider, die von Krieg, gesellschaftlichem Umbruch und technologischem Fortschritt geprägt war. Dabei kontrastiert der naturhafte und beinah romantische Hintergrund des Englischen Gartens und des versehentlich fahrenden Pferdewagens mit der modernen, ziellos dahinrollenden Erde und schafft so ein spannungsvolles Gleichgewicht.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend“ des Autors Klabund. Klabund wurde im Jahr 1890 in Crossen an der Oder geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1925 entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 158 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Altes Reiterlied“, „Ausmarsch“ und „Ballade“. Zum Autor des Gedichtes „Im Wagen durch den Englischen Garten fahrend“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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