Im Oktober 1849 von Heinrich Heine
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Gelegt hat sich der starke Wind, |
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Und wieder stille wird’s daheime: |
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Germania, das große Kind, |
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Erfreut sich wieder seiner Weihnachtsbäume. |
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Wir treiben jetzt Familienglück – |
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Was höher lockt, das ist vom Uebel; |
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Die Friedensschwalbe kehrt zurück, |
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Die einst genistet in des Hauses Giebel. |
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Gemüthlich ruhen Wald und Fluß, |
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Vom sanften Mondlicht übergossen; |
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Nur manchmal knallt’s – ist das ein Schuß? |
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Es ist vielleicht ein Freund, den man erschossen. |
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Es knallt! Es ist ein Fest vielleicht, |
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Ein Feuerwerk zur Göthefeier! |
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Die Sonntag, die dem Grab entsteigt, |
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Begrüßt Raketenlärm – die alte Leier! |
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Auch Lißt taucht wieder auf, der Franz, |
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Er lebt, er liegt nicht blutgeröthet |
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Auf einem Schlachtfeld Ungarlands – |
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Kein Russe, kein Kroat hat ihn getödtet! |
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Es fiel der Freiheit letzte Schanz’, |
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Und Ungarn blutet sich zu Tode, |
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Doch unversehrt blieb Ritter Franz, |
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Sein Säbel auch – er ruht in der Kommode. |
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Es lebt der Franz und wird als Greis |
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Vom Ungarkriege Wunderdinge |
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Erzählen in der Kinder Kreis: |
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So lag ich und so führt’ ich meine Klinge. |
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Wenn ich den Namen Ungarn hör’, |
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Wird mir das deutsche Wamms zu enge, |
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Es braust darunter wie ein Meer, |
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Mir ist, als grüßten mich Trompetenklänge. |
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Es klingt mir wieder im Gemüth |
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Die Heldensage, längst verklungen, |
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Das eisern wilde Kämpenlied, |
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Das Lied vom Untergang der Nibelungen. |
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Es ist dasselbe Heldenloos, |
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Es sind dieselben alten Mähren – |
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Die Namen sind verändert blos, |
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Doch sind’s dieselben „Helden lobebären“. |
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Es ist dasselbe Schicksal auch: |
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Wie stolz und frei die Fahnen fliegen, |
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Es muß der Held nach altem Brauch |
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Den thierisch-rohen Mächten unterliegen. |
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Und dießmal hat der Ochse gar |
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Mit Bären einen Bund geschlossen – |
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Du fällst, doch tröste dich, Magyar, |
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Wir andern haben schlimm’re Schmach genossen! |
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Anständige Bestien sind es doch, |
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Die ganz honett dich überwunden; |
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Doch wir gerathen in das Joch |
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Von Wölfen, Schweinen und gemeinen Hunden. |
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Das heult und bellt und grunzt. Ich kann |
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Ertragen nicht den Duft der Sieger. |
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Doch still, Poet, das greift dich an – |
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Du bist so krank, und schweigen wäre klüger! |
Details zum Gedicht „Im Oktober 1849“
Heinrich Heine
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1849
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Im Oktober 1849“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem der bekanntesten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts. Aufgrund des Titels kann man davon ausgehen, dass es im Oktober 1849 verfasst wurde, also zur Zeit der europäischen Revolutionen von 1848/49.
Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht ruhig und heimelig, doch hinter dieser äußeren Ruhe verbirgt sich eine kritische und pessimistische Sicht auf den damaligen Zustand Deutschlands und Europas.
In den ersten beiden Strophen wird eine scheinbare Idylle beschrieben, in der man sich wieder dem häuslichen Glück zuwendet und in Frieden lebt. Doch in den folgenden Strophen wird klar, dass diese Idylle trügerisch ist. Es gibt Anzeichen von Gewalt und Unruhe. Der „Knall“ könnte ein Schuss sein, mit dem ein Freund erschossen wurde, oder ein Feuerwerk, das den Triumph der herrschenden Mächte über die unterlegenen Freiheitskämpfer symbolisiert. Dann geht das lyrische Ich auf die Figur des „Franz“ ein, der anstatt auf dem Schlachtfeld zu fallen, unversehrt zu Hause ist und später seinen Enkeln von seinen Heldentaten erzählen wird. Die Erwähnung von Ungarn verweist auf die damalige Revolutionsbewegung, die von Russland und Österreich niedergeschlagen wurde.
Mit der Erwähnung der Nibelungensage im Kontext des heldenhaft kämpfenden, aber scheiternden Freiheitskämpfers deutet Heine auf den tragischen Charakter der Revolution an. Die letzte Strophe wirkt fast resigniert: Trotz allen Idealismus und Kampfeswillen scheitert der Held letztendlich am brutalem Realismus der herrschenden Mächte. Dennoch endet das Gedicht mit der Mahnung, dass Schweigen vielleicht klüger wäre - eine kritische Anspielung auf die Repressalien, die Freiheitskämpfer und ihre Unterstützer zu jener Zeit zu befürchten hatten.
Das Gedicht besteht aus vierzeiligen Strophen in gereimten Kreuzreimen. Die Sprache ist teils bildhaft (zum Beispiel die Vergleiche der Mächte mit Tieren), teils umgangssprachlich (zum Beispiel „Familienglück“, „es knallt“). Immer wieder werden handlungsorientierte Sätze („Erzählen in der Kinder Kreis“, „Es klingt mir wieder im Gemüth“) mit reflektierenden und kommentierenden Aussagen („Mir ist, als grüßten mich Trompetenklänge“, „Es braust darunter wie ein Meer“) abgewechselt. Dadurch wirkt das Gedicht sehr lebendig und atmosphärisch, was den Eindruck der Idylle noch verstärkt. Gleichzeitig aber wird durch diese Form auch die Brisanz und Aktualität der dargestellten Situation betont.
Weitere Informationen
Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Im Oktober 1849“. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1849. Stuttgart ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 327 Wörter. Es baut sich aus 14 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Ach, die Augen sind es wieder“, „Ach, ich sehne mich nach Thränen“ und „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Im Oktober 1849“ weitere 535 Gedichte vor.
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