Im Kreislauf des Jahres von Rudolf Lavant
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Wie ist so lau und lind die Luft – |
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Die Fenster auf und fort die Decken! |
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Es irrt ein feiner Veilchenduft |
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Um wieder knospenreiche Hecken. |
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Es rauscht der Bach, der träge schlich, |
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Voll gelber Kätzchen hängt die Weide, |
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Und da und dort sonnt freudig sich |
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Ein Falter schon in buntem Kleide. |
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Die Lerche jubelt im Blauen! |
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Im Sonnenbrande reift das Korn |
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Dem großen Erntetag entgegen; |
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Es quillt des Ueberflusses Horn |
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Von Segen über allerwegen. |
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Den Bann der Schwüle ab und zu |
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Bricht siegesprächtig ein Gewitter, |
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Und seine Sense schärft in Ruh’ |
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– Er pfeift ein Lied dabei – der Schnitter. |
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Die Wachtel schlägt im Getreide! |
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Der Wald ist bunt; im Winde schwimmt |
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Mariengarn an stillen Tagen; |
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Empor zu seinen Reben klimmt |
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Der Winzer, nach dem Wein zu fragen. |
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Die Welt steht klar und feierlich |
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Vor dir – doch ahnst du ihr Sichhärmen, |
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Und für die Reise schaaren sich |
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Die Vögel all’ zu dichten Schwärmen. |
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Die Schwalbe zwitschert am Firste! |
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Im Schnee begraben liegt die Welt; |
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Sie athmet kaum – sie schläft und feiert. |
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In bitterkalten Nächten bellt |
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Der Fuchs zum Mond, der rothverschleiert; |
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Und unterm Fuß des Wandrers kracht |
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Der Schnee und in vereisten Forsten |
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Ist manche Eiche über Nacht, |
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Die noch im Herbste grün, geborsten. |
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Die Krähen krächzen am Wege! |
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Im Bilde sieh des Menschen Loos! |
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Wer pflegte nicht in Kindertagen |
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Mit leichtem Sinn und ahnungslos |
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Den bunten Faltern nachzujagen? |
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Wer hat als Jüngling nicht gestrebt |
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Mit leiblichen und geist’gen Waffen |
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Und mit der Gluth, die in ihm lebt, |
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Ein schönes, ganzes Glück zu schaffen? |
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Da sangen Wachtel und Lerche! |
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Und als das Heer der Träume schied |
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Und als sie kam, die große Stille, |
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Wer sang nicht der Entsagung Lied, |
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Wem schwieg er nicht, der laute Wille? |
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Und wer entgeht der letzten Noth, |
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Wie viel er auch umschifft der Klippen, |
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Da ihm mit weicher Hand der Tod |
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Das Siegel legt auf bleiche Lippen? |
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Erst die Schwalbe und dann die Krähe! |
Details zum Gedicht „Im Kreislauf des Jahres“
Rudolf Lavant
6
54
317
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Im Kreislauf des Jahres“ ist Rudolf Lavant. Im Jahr 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1893. Der Erscheinungsort ist Stuttgart. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Naturalismus oder Moderne zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 317 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rudolf Lavant sind „An den Kladderadatsch“, „An die Frauen“ und „An die alte Raketenkiste“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Im Kreislauf des Jahres“ weitere 96 Gedichte vor.
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- Agrarisches Manifest
- An Herrn Crispi
- An das Jahr
- An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz
- An den Kladderadatsch
- An die Frauen
- An die alte Raketenkiste
- An unsere Feinde
- An unsere Gegner
- An la belle France.
Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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