Im Dorfe von Ada Christen

Richtig da, die alte Scheuer
Steht noch auf derselben Stelle,
Vor der Thüre flammt das Feuer,
Flackert auf, wie einst so helle,
 
Und wie einst, so heute lagern
Kunstplebejer, Vagabunden,
Blasse Weiber bei den magern
Kindern und bei alten Hunden.
 
Jubelnd grüßt das längst-vergess’ne,
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Jugend-mahnende Gelichter,
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Ich erkenne schminkzerfress’ne
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Kecke, thörichte Gesichter.
 
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Wüst-poetisch, frierend, hungernd
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Finde ich die Altbekannten
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Ärmer noch, noch träger lungernd,
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Echte Handwerks-Comödianten.
 
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Hinter einem Zaume werden
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Sie einst jämmerlich verenden,
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Denn es giebt für sie auf Erden
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Schon zu viel der Concurrenten.
 
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Habt als Stümper angefangen
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Und seid Stümper auch geblieben;
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Kirch’ und Parlament seit langen
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Jenes Handwerk besser trieben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Im Dorfe“

Autor
Ada Christen
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
106
Entstehungsjahr
1870
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Im Dorfe“ wurde von der österreichischen Schriftstellerin Ada Christen verfasst, die von 1839 bis 1901 lebte. Sie gehörte zur Literaturströmung des Realismus, in der das alltägliche Leben und soziale Missstände realistisch dargestellt wurden.

Beim ersten Lesen des Gedichts fallen die klaren Beschreibungen und die eher düstere Stimmung auf. Das lyrische Ich scheint eine gesellschaftskritische Haltung einzunehmen.

Das Gedicht erzählt von einem Dorf und dessen Einwohnern, die in schlechten Verhältnissen leben. Es scheint, als ob das lyrische Ich das Dorf nach langer Zeit wieder besucht und feststellt, dass sich trotz der voranschreitenden Zeit nichts verändert hat. Die Menschen, die es einst kannte, sind noch immer arm und haben keine Aussicht auf Verbesserung. Sie leben wie vagabundierende Künstler oder Handwerkskomödianten, ohne wirklichen Erfolg oder Anerkennung, verbringen ihre Zeit hungernd und frierend, ohne eine Chance auf Veränderung.

Das lyrische Ich äußert offensichtliche Kritik an der bestehenden Ordnung, die es als ungerecht und demütigend empfindet. Es zeigt sogar Anzeichen von Spott, wenn es die Bewohner des Dorfes als „Stümper“ bezeichnet, die von Kirche und Parlament übertroffen werden. Es wird deutlich, dass das lyrische Ich bezweifelt, ob diese Menschen jemals die Möglichkeit hatten, ihre Situation zu verbessern.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils vier Versen, was ein sehr geordneter und klar strukturierter Aufbau ist, der einen starken Kontrast zu der dargestellten chaotischen und unglücklichen Situation erzeugt. Die Sprache ist einfach und klar, spiegelt aber die Kritik und das Mitgefühl des lyrischen Ichs wider. Der wiederholende Einsatz des Adverbs „noch“ im vierzehnten Vers betont die stagnierende und hoffnungslose Situation der Dorfbewohner.

Ada Christens Gedicht ist ein starkes literarisches Werk, das auf soziale Missstände und Ungerechtigkeiten hinweist. Es reflektiert die pessimistische Sicht der Dichterin auf soziale Mobilität und den Mangel an Chancengleichheit zu ihrer Zeit.

Weitere Informationen

Ada Christen ist die Autorin des Gedichtes „Im Dorfe“. 1839 wurde Christen in Wien geboren. Im Jahr 1870 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Realismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 106 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke der Dichterin Ada Christen sind „Asche“, „Auf Ruinen“ und „Auf dem Meere“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Im Dorfe“ weitere 81 Gedichte vor.

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