Ich weiß ein Märchen hübsch und tief von Wilhelm Busch

Ich weiß ein Märchen hübsch und tief.
Ein Hirtenknabe lag und schlief.
Da sprang heraus aus seinem Mund
Ein Mäuslein auf den Heidegrund.
Das weiße Mäuslein lief sogleich
Nach einem Pferdeschädel bleich,
Der da schon manchen lieben Tag
In Sonnenschein und Regen lag.
Husch! ist das kleine Mäuslein drin,
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Läuft hin und her und her und hin,
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Besieht sich all die leeren Fächer,
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Schaut listig durch die Augenlöcher
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Und raschelt so die Kreuz und Quer
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Im alten Pferdekopf umher. –
 
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Auf einmal kommt ‘ne alte Kuh,
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Stellt sich da hin und macht Hamuh!
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Das Mäuslein, welches sehr erschreckt,
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Daß da auf einmal wer so blökt,
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Springt, hutschi, übern Heidegrund
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Und wieder in des Knaben Mund. –
 
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Der Knab erwacht und seufzte: Oh,
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Wie war ich doch im Traum so froh!
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Ich ging in einen Wald hinaus,
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Da kam ich vor ein hohes Haus,
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Das war ein Schloß von Marmelstein.
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Ich ging in dieses Schloß hinein.
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Im Schloß sah ich ein Mädchen stehn,
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Das war Prinzessin Wunderschön.
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Sie lächelt freundlich und bekannt,
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Sie reicht mir ihre weiße Hand,
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Sie spricht: „Schau her, ich habe Geld,
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Und mir gehört die halbe Welt;
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Ich liebe dich nur ganz allein,
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Du sollst mein Herr und König sein.“
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Und wie ich fall in ihren Schoß,
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Ratuh! kommt ein Trompetenstoß.
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Und weg ist Liebchen, Schloß und alles
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Infolge des Trompetenschalles.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Ich weiß ein Märchen hübsch und tief“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
222
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Wilhelm Busch, ein bedeutender deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller, der vor allem durch seine humoristischen Bildergeschichten bekannt ist. Er lebte von 1832 bis 1908, daher kann man das Gedicht zeitlich in das 19. Jahrhundert einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist verwirrend, aber durchaus faszinierend. Es scheint surreal und märchenhaft, was durch die Verwendung von Charakteren wie Mäusen, Pferden, Kühen und Prinzessinnen sowie ungewöhnlichen Handlungsorten wie einem Pferdeschädel und einem märchenhaften Schloss verstärkt wird.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines schlafenden Hirtenjungen, aus dessen Mund eine Maus hervorkommt. Diese erkundet einen alten, verlassenen Pferdeschädel, wird aber durch das plötzliche Erscheinen einer Kuh erschrocken und flieht zurück in den Mund des Jungen. Der Junge erwacht und erzählt von seinem Traum, in dem er ein märchenhaftes Schloss betritt und eine Prinzessin trifft, die ihm ihre Liebe und Reichtümer verspricht. Doch der Traum bricht abrupt ab, als er durch einen Trompetenstoß aufgeweckt wird.

Die Handlung des Gedichts ist metaphorisch und kann als Allegorie auf das Leben interpretiert werden. Die Maus könnte das lyrische Ich repräsentieren, das auf ihrer Suche nach Glück und Erfüllung ständig vor Hindernissen und Herausforderungen flieht. Der Traum vom Schloss und der Prinzessin könnte eine Sehnsucht nach Liebe und Reichtum darstellen, die aber durch die harte Realität (symbolisiert durch den Trompetenstoß) brutal unterbrochen wird.

Die Form des Gedichts ist regelmäßig und die Sprache ist schlicht, aber eindringlich. Die Strophenlängen variieren, jedoch sind die Reime konsistent und folgen einem festen Muster. Busch nutzt einfache, alltägliche Sprache und verleiht dem Gedicht damit eine spielerische und zugängliche Qualität. Gleichzeitig benutzt er Soundeffekte (wie „Hamuh!“ und „Ratuh!“) und visuelle Bilder, um die surreale und märchenhafte Qualität der Geschichte zu verstärken. Zudem zeichnen sich Buschs Werke oft durch eine humorvolle und ironische Tonalität aus, die auch in diesem Gedicht spürbar ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ich weiß ein Märchen hübsch und tief“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. Im Jahr 1832 wurde Busch in Wiedensahl geboren. Im Zeitraum zwischen 1848 und 1908 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Wiesbaden u. Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 222 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Busch sind „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“. Zum Autor des Gedichtes „Ich weiß ein Märchen hübsch und tief“ haben wir auf abi-pur.de weitere 208 Gedichte veröffentlicht.

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