Ich raffe mich auf von Joachim Ringelnatz

Der Nachttopf klirrt. Ich bin entschlossen!
Der Doornkaat hat mich umgestimmt.
Wenn jetzt auch alles in der Stube schwimmt,
Ist doch noch lang kein Blut vergossen.
 
Der Spiegel kracht. Was will das heißen?
Was er uns spiegelt, ist verkehrt.
Ritz-Ratsch – ich muß mein Federbett zerreißen.
Denn Eigentum ist Dreck, der nur beschwert.
 
Hei, Wind gemacht! Die Federn stieben.
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Den deutschen Seemann schreckt der Seesturm nicht.
11 
Er denkt, den Tod vor Augen, seiner Lieben. –
12 
Ach was – Quatsch: Lieben –. Bums! ein Schrank zerbricht.
 
13 
Der Schrank ist mein, und ich bin frei.
14 
Und wenn er mir auch nicht gehörte – –
15 
Wie wär’s wenn ich das Fenster mal zerstörte?
16 
Päng! – schlitterkläng – – Es ist entzwei!
 
17 
Plautz – liegt mein Ofen. Er wog tausend Kilos.
18 
Wo ist mein Frack? – ich habe Blut geleckt. –
19 
Zu lange war ich schwach und energielos.
20 
Dein Doornkaat Rosie, hat mein Blut geweckt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Ich raffe mich auf“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
140
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ich raffe mich auf“ wurde vom deutschen Schriftsteller und Kabarettisten Joachim Ringelnatz verfasst. Ringelnatz, dessen eigentlicher Name Hans Bötticher ist, lebte von 1883 bis 1934. Sein Werk ist der Epoche des Expressionismus zuzuordnen, welche von etwa 1910 bis 1925 in Deutschland angesiedelt ist.

Bereits beim ersten Lesen fällt ein starker Kontrast zwischen der eher heiter grotesken Stimmung und der ernsten Thematik auf. Das Lyrische Ich schildert seine Destruktivität inmitten häuslichen Alltags.

Das Gedicht besteht aus fünf vierzeiligen Strophen, in denen der Erzähler seine rebellische und autonome Haltung durch das lustvolle Zerstören seiner Wohnung ausdrückt. Inspiriert durch Alkohol – „Der Doornkaat hat mich umgestimmt.“ (eine Schnapssorte) – beginnt er mitten in der Nacht seine Wohnung zu zerstören. Von Nachttopf bis Fenster, Spiegel und Schrank,dem eigenen Bett bis hin zu seinem schweren Ofen, nichts bleibt verschont. Unter dem Motto „Eigentum ist Dreck, der nur beschwert“ rebelliert er gegen die Besitzstände und fühlt sich danach befreit.

Der Text ist in einer sehr bildlichen, teils deftigen Sprache verfasst. Bemerkenswert sind die lautmalerischen und onomatopoetischen Wörter wie „klirrt“, „kracht“, „Ritz-Ratsch“, „Bums!“ oder „Päng! – schlitterkläng“, die das Zerstören und die dadurch entstehende Geräuschkulisse veranschaulichen.

Zudem verwendet Ringelnatz eine seefahrerische Metaphorik („Den deutschen Seemann schreckt der Seesturm nicht.“), passend zu seinem Pseudonym, das er nach einem Seemann aus einem Kinderbuch gewählt hat. Unterstreicht die metaphorische Verbindung von Zerstörung und Sturm das innere Aufbäumen des lyrischen Ichs gegen gängige Normen und Werte?

Insgesamt hinterlässt das Gedicht einen stark impressionistischen und zugleich humoristisch-ironischen Eindruck. Die rebellische Zerstörungswut, gepaart mit lakonischem Humor, zeichnet ein komplexes Bild einer nächtlichen Eskapade, die metaphorisch für einen inneren Ausbruch aus den gesellschaftlichen Zwängen stehen kann. Dabei wird jedoch auch auf die mögliche Gefahr und die Ambivalenz solcher Ausbrüche hingewiesen, was das Gedicht zu einem spannend paradoxen Werk macht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Ich raffe mich auf“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1928 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 140 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Alone“, „Alte Winkelmauer“ und „Alter Mann spricht junges Mädchen an“. Zum Autor des Gedichtes „Ich raffe mich auf“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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