Ich habe mich erkältet von Kurt Tucholsky

Ich weiß dicht, was bit beider Dase ist –
da ist was dridd …
Doch soll bich dies dicht hindern,
euch, lieben Kindern,
ein deutsches Lied zu singen – uns allen zum Gewidd –:
 
Barkig schallt der Ruf der deutschen Bannen:
„Heil deb großen Zeppeliend!
Welcher butig flog von dannen,
über alle Welten hiend!“
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Alle Benschen konnten ihn sehnd!
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Welch ein Phädobeend –!
 
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Donnen, Deger und Berlider Dutten
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labten sich an seinemb Bild –
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ohmb schrieben sie mit Underwoodn,
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und sie aßen Hubber, Lachs und Wild,
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sowie auch die leckre Barbelade –
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daß ich dicht dabei war, das war schade.
 
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Eckners Namb’ sollt man id Barbor ritzen,
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auf Zigarren, id ded Steid vomb Dobido –
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auf deb Präsidentenstuhle sollt er sitzen,
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dafür neblich ist derselbe do …
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Alle, alle kedden ihnd ja schond,
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selbst Biß Babbitt und Frau Dathadsohnd.
 
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Kein Bobent kann dieser Ruhmb sich wandeln.
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Darumb bache ich ihmb dies Gedicht.
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Was ist in der Dase … oder in ded Bandeln …
27 
Aber Gottseidank: ban berkt es dicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Ich habe mich erkältet“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
158
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das hier vorliegende Gedicht „Ich habe mich erkältet“ ist von Kurt Tucholsky, einem deutschen Journalisten, Satiriker und Schriftsteller. Als zeitliche Einordnung ist das frühe 20. Jahrhundert zu wählen, in der Tucholsky seine produktivste Phase hatte. Auf den ersten Blick fällt die stark veränderte, gewissermaßen „verdrehte“ Sprache, auf.

Im Grunde handelt das Gedicht von einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalstolz und der blinden Bewunderung des deutschen Volkes für den Zeppelin und seinen Erbauer. Trotz seiner Erkältung - symbolisch auch für seine Kritik und Unzufriedenheit - möchte das lyrische Ich dennoch seine kritischen Gedanken äußern, seine satirische „Lied“ gegen diese Idealisierung singen. Es bemängelt die Bewunderung der Menschen für die Technik und ihre schnelle Bereitschaft, diese (hier den Zeppelin und seinen Schöpfer) zu glorifizieren.

In Bezug auf die Form und die Sprache des Gedichts findet sich eine interessante Besonderheit: Obwohl Tucholsky durch die Erkältung des lyrischen Ichs die Wörter absichtlich verfälscht, bleibt die Botschaft verständlich. Hier zeigt sich Tucholskys grandioser Umgang mit der Sprache, denn trotz der Verfälschung der Wörter gelingt es ihm, seinen Spott klar zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus ist das Gedicht im Stile eines Volksliedes komponiert. Dies betont noch weiter die Ironie und Satire, da Volkslieder in der Regel auf bestehende traditionelle Weisen gesungen werden und volkstümliche oder landestypische Themen zum Inhalt haben.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Tucholsky mit „Ich habe mich erkältet“ ein stark satirisches Gedicht vorlegt. Er prangert die unkritische Bewunderung größtenteils irrationaler Nationalhelden an und gibt mit seiner „erkälteten“ Sprache seiner eigenen Unzufriedenheit darüber Ausdruck. Mit seinem außergewöhnlichen Sprachstil erzeugt der Dichter eine bildhafte und eindrückliche Darstellung seiner Kritik.

Weitere Informationen

Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Ich habe mich erkältet“. 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1929 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Inhaltlich wurden in der Literatur der Weimarer Republik häufig die Ereignisse des Ersten Weltkriegs verarbeitet. Die geschichtlichen Einflüsse des Ersten Weltkrieges und der späteren Weimarer Republik sind die prägenden Faktoren dieser Epoche. Die Neue Sachlichkeit in der Literatur der Weimarer Republik ist von Nüchternheit und distanzierter Betrachtung der Welt gekennzeichnet und politisch geprägt. Es wurde eine Alltagssprache verwendet um mit den Texten so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Schriftsteller, die ins Exil fliehen, also ihr Heimatland verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die Exilliteratur bildet eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Sie schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den typischen Themenschwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus erkennen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das Gedicht besteht aus 27 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 158 Worte. Der Dichter Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied von der Junggesellenzeit“, „Achtundvierzig“ und „All people on board!“. Zum Autor des Gedichtes „Ich habe mich erkältet“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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