Ich hab in einem alten Buch gelesen von Wilhelm Busch

Ich hab in einem alten Buch gelesen
Von einem Jüngling, welcher schlimm gewesen.
Er streut sein Hab und Gut in alle Winde.
Von Lust zu Lüsten und von Sünd zu Sünde,
In tollem Drang, in schrankenlosem Streben
Spornt er sein Roß hinein ins wilde Leben,
Bis ihn ein jäher Sturz vom Felsenrand
Dahingestreckt in Sand und Sonnenbrand,
Daß Ströme Bluts aus seinem Munde dringen
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Und jede Hoffnung fast erloschen ist.
 
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Ich aber hoffe – sagt hier der Chronist –
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Die Gnade leiht dem Jüngling ihre Schwingen.
 
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Im selben Buche hab ich auch gelesen
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Von einem Manne, der honett gewesen.
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Es war ein Mann, den die Gemeinde ehrte,
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Der so von sechs bis acht sein Schöppchen leerte,
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Der aus Prinzip nie einem etwas borgte,
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Der emsig nur für Frau und Kinder sorgte;
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Dazu ein proprer Mann, der nie geflucht,
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Der seine Kirche musterhaft besucht.
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Kurzum, er hielt sein Rößlein stramm im Zügel
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Und war, wie man so sagt, ein guter Christ.
 
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Ich fürchte nur – bemerkt hier der Chronist –
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Dem Biedermanne wachsen keine Flügel.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Ich hab in einem alten Buch gelesen“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
170
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht stammt von Wilhelm Busch, einem bekannten deutschen Dichter und Zeichner, der im 19. Jahrhundert lebte. Es wurde also in einer Zeit verfasst, in der strenge moralische Werte und Normen vorherrschten.

Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt durch das Schicksal zweier sehr unterschiedlicher Charaktere. Es werden zwei verschiedene Lebensweisen dargestellt, die jeweils sehr unterschiedliche Konsequenzen haben.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einem jungen Mann, der ein ausschweifendes und zügelloses Leben mit Lust, Sünde und Verschwendung führt und letztendlich einen jähen Sturz erleidet, bei dem er schwer verletzt wird. Die zweite Strophe offenbart, dass trotz seiner schlechten Taten noch Hoffnung für ihn besteht.

In der dritten Strophe wird ein weiterer Mann beschrieben, der das genaue Gegenteil des jungen Mannes darstellt. Er führt ein honettes und tugendhaftes Leben, ist auf seine Familie konzentriert und hält sich strikt an die gesellschaftlichen Normen und religiösen Pflichten. Allerdings scheint es, dass der Chronist für diesen Mann wenig Hoffnung hat, metaphorisch gesprochen, Flügel zu bekommen.

Das lyrische Ich, vermutlich in der Rolle des Chronisten, möchte mit Sicherheit den Leser mit diesen beiden Charakteren und ihren radikal unterschiedlichen Lebenswegen konfrontieren. Sie repräsentieren zwei Extreme zwischen wildem Vergnügen und strenger Disziplin. Die Intention könnte sein, zu fragen: Was ist besser?

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in vier Strophen eingeteilt, wobei die ersten und dritten Strophen jeweils zehn Verse und die zweiten und vierten Strophen jeweils zwei Verse enthalten. Dies schafft ein abwechslungsreiches und ausgewogenes rhythmus.

Die Sprache von Busch ist einfach und unkompliziert, was es leicht macht, seine Botschaft zu verstehen. Die Metaphern, die er verwendet, wie das „Roß“, das für das Leben steht oder das „Blut“, das aus dem Mund des jungen Mannes strömt, machen das Gedicht anschaulicher.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine tiefgründige Frage über das Leben und unsere Entscheidungen darin aufwirft. Es legt nahe, dass sowohl ausschweifendes als auch allzu stricktes Leben ihre eigenen Risiken bergen.

Weitere Informationen

Wilhelm Busch ist der Autor des Gedichtes „Ich hab in einem alten Buch gelesen“. Busch wurde im Jahr 1832 in Wiedensahl geboren. In der Zeit von 1848 bis 1908 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Wiesbaden u. Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 170 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Der Dichter Wilhelm Busch ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf Wiedersehn“, „Auf den Sonntag früh Morgen“ und „Bedächtig“. Zum Autor des Gedichtes „Ich hab in einem alten Buch gelesen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 208 Gedichte veröffentlicht.

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