Hymnus an die Bäume von Otto Ernst
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O meine Bäume! |
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Seit meiner Kindheit ahnenden Tagen |
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Sprech’ ich zu euch, ihr edlen Vertrauten, |
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Sprech’ ich in stummer, geheimer Sprache, |
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Und ihr versteht mich |
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Und atmet mir Antwort. |
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Wenn von euren dunklen Wänden |
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Meine Seele widerhallt – |
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Die wehende Andacht |
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Verschwiegener Hallen, |
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Wie heiliges Grauen |
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Verlassener Tempel |
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Faßt es mich an. |
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In reiner Frühe such ich euch |
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Erquickten Auges, |
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Und sieh: in euren Zweigwinkeln lauschen |
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Tage der Kindheit, |
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Auf euren Wipfeln wiegen sich |
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Tage der Wand’rung. |
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Aber am sinkenden Abend, |
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Wenn silberne Elfenluft durch eure Zweige blickt |
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Und Birkenschleier im Mondlicht hangen, |
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Wenn der leuchtende Himmelswandrer |
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Mondhingewandte Seelen bindet |
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Mit saugendem Licht, |
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Dann hangen an euren Stämmen |
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Schatten der Schwermut, |
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Und im Gewirr eurer Zweige |
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Leuchten und dunkeln Geheimnisse |
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Wie in der Brust erhabener, |
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Gottversunkener Seelen. |
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Wie oft, wenn drängende Mittagsglut, |
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Mit tausend Pfeilen das Haupt umschwirrend, |
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Zur Qual mir ward, |
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Fand ich zu euren Füßen |
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Hundertjährigen Schatten, |
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Der die Sinne schmeichelnd befängt |
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Wie hundertjähriger Wein. |
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Dann, ihr grünen Himmelsleitern, |
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Lag ich, ein Sohn der Verheißung, |
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Träumend an eurem Fuß, |
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Und an euren Ästen stiegen |
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Auf und nieder |
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Himmlische Hoffnungen. |
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Euch, ihr Bäume, |
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Acht ich des Schöpfers |
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Göttlichste Kinder. |
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Ihr wart vor uns Lebenden, |
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Und eure Kronen bewahren |
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Vergangenes in rätselvoller Sprache – |
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Ihr werdet nach uns sein, |
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Und euer Inn’res |
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Hegt Keime der Zukunft |
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In ernstem Schweigen. |
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Und unbekümmert |
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Um Vergangenes und Künftiges |
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Spendet ihr, Wissende, |
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Frucht und Schatten, |
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Duft und Schönheit. |
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In schweigender Hoheit |
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Wachst ihr empor |
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Über der Menge Geschrei und Gewühl, |
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Und überhebt euch nicht, |
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Neigt euch milde |
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Zu den Menschen |
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Und blickt fromm |
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Zu nächtlichen Sternen. |
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Menschen, die ihr mich liebt, |
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Pflanzt Bäume mir auf das Grab, |
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Daß ihre Wurzeln meinen Leib umfangen |
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Wie sorgende Arme, |
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Und ihre Häupter, sich neigend, mir singen |
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Von Lenzen, die ich ersehnt |
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Und nicht mehr gesehn. |
Details zum Gedicht „Hymnus an die Bäume“
Otto Ernst
7
74
298
1907
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Hymnus an die Bäume“ ist Otto Ernst. 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1907 entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 74 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 298 Worte. Otto Ernst ist auch der Autor für Gedichte wie „Auflösung“, „Aus einer Nacht“ und „Ausflug“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Hymnus an die Bäume“ weitere 63 Gedichte vor.
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