Home, Sweet home von Kurt Tucholsky

Berliner Muse mit den runden Hüften,
den Tuchgamaschen und dem Samtbarett,
umgaukle du mich in den staubigen Lüften:
Komm, Göttin, sei mal nett!
 
Hier auf dem Rathausturm ists windig, Muse,
der kalte Zug reißt mir die Leier weg –
begleite mich, mein süßes Kind, halt du se:
Ich singe so freiweg.
 
Da liegt die Stadt – nur schön bei Regenstürmen –
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teils an der Panke und teils an der Spree,
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mit Synagogenkuppeln, Kirchentürmen
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und einem Tanzpaleeh.
 
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Und was da längs des grünen Bäumewalles
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so gülden gleißt (ich weiß nicht, ob dus kennst):
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das ist der Reichstag – doch es ist nicht alles
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hienieden Gold, was glänzt.
 
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In jener Gegend wohnt die große Presse –
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sie macht erst unsre Zeit in Wort und Bild:
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dort sättigt der Berliner sein Interesse,
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nervös und injebildt.
 
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Da hinten rechts, in jener dunstigen Weite,
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liegt der Komödienhäuser dichter Hauf –
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und gehn sie alle, alle langsam pleite:
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dann macht man neue auf.
 
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Und, siehst du, hier verbringt man so sein Leben.
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Da draußen rauschen Wälder, Wolken ziehn –
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Wir passen auf, was sie für Possen geben,
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und wie sie vor den Uniformen beben! –
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O du mein Heimatland, du mein Berlin!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Home, Sweet home“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
188
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Home, Sweet Home“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nämlich von 1890 bis 1935, lebte.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll und ironisch. Tucholsky ist bekannt für seine satirische Darstellung und Kritik an der Gesellschaft seiner Zeit. Sein Gedicht bietet eine Mischung aus liebevoller Hommage und scharfem Kommentar zur Stadt Berlin.

Der Inhalt des Gedichts, zusammengefasst in einfachen Worten, lässt sich als Ode an Berlin interpretieren, mit all seinen Unvollkommenheiten und Eigenheiten. Die erste Strophe beschreibt ein scheinbar lockeres und fröhliches Treiben in der Stadt. Danach erzählt das lyrische Ich von seinem Standpunkt auf dem Rathaus, seinem Blick auf die Stadt und seiner Rolle als Beobachter. Es gibt dabei kurze Einblicke in verschiedene Aspekte Berlins, wie die Architektur (Strophen 3 und 4), die Medien (Strophe 5) und das Theater (Strophe 6). Die abschließende Strophe bringt schließlich eine Mischung aus Begegnung mit der Natur und politischer Beobachtung zum Ausdruck.

Das lyrische Ich scheint voller Zuversicht, Berlin und seine Bewohner dem kritischen, aber liebevollen Blick des Dichters zu unterwerfen. Dabei zeigt das Gedicht eine Mischung aus Ironie, Satire und manchmal sogar Zärtlichkeit gegenüber seiner Heimatstadt. Es lässt erkennen, dass trotz aller Mängel und Probleme, die die Stadt Berlin aufweist, sie dennoch etwas Besonderes für das lyrische Ich ist. Dies zeigt sich besonders in der Schlusszeile „O du mein Heimatland, du mein Berlin!„

In Bezug auf die Form des Gedichts handelt es sich um freie Verse mit unterschiedlichen Vers- und Strophenlängen, was gut zum lockeren Ton des Gedichts passt. Die Sprache ist meist umgangssprachlich und direkt, mit vielen spezifischen Berliner Ausdrücken, die das Lokalkolorit verstärken.

Insgesamt ist „Home, Sweet Home“ ein anschauliches Beispiel für Tucholskys scharfsinnige Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit, mit satirischem Humor und Liebe zum Detail ein umfassendes Porträt seiner Heimatstadt Berlin zu zeichnen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Home, Sweet home“ des Autors Kurt Tucholsky. Tucholsky wurde im Jahr 1890 in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1919 entstanden. Charlottenburg ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zu. Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Republik hatten erheblichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Bei der Neuen Sachlichkeit war der Inhalt der Texte wichtiger als die Form. Die Autoren dieser Bewegung wollten mit ihren Texten möglichst viele Menschen aus allen sozialen Schichten ansprechen. Aus diesem Grund wurden die Texte in einer alltäglichen Sprache verfasst und wurden oft im Stile einer dokumentarisch-exakten Reportage geschrieben. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der Exilliteratur Deutschlands lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die Themen in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte zum einen die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Zum anderen aber auch den Widerstand unterstützen. Anders als andere Epochen der Literatur, die zum Beispiel bei der formalen Gestaltung (also in Sachen Metrum, Reimschema oder dem Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel) ganz charakteristische Merkmale aufweisen, ist die Exilliteratur nicht durch bestimmte formale Merkmale gekennzeichnet. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das vorliegende Gedicht umfasst 188 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 29 Versen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Meinige“, „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ und „An ihren Papa“. Zum Autor des Gedichtes „Home, Sweet home“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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