Holzhackers Werbung von Heinrich Kämpchen

Wie oft unter deinem Fenster
Hab’ durchweint ich die ganze Nacht,
Indes du im Daunenbett träumtest
Von deiner Geschmeide Pracht. –
 
Nicht länger will ich noch weinen,
Die Tränen sind nutzlose Saat,
Was Worte und Tränen nicht können,
Das erzwinget die trotzige Tat. –
 
Du bist eines Grafen Tochter,
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Ich bin ein Holzhackerssohn,
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Ich führe die Axt im Wappen,
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Du trägst eine güldene Kron’. –
 
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Ich fälle im Walde die Bäume,
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Du lockst die Ritter und Herrn,
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Ich bin ein winziges Lichtchen,
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Du bist ein prächtiger Stern. –
 
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Und ob es auch klinget wie Hohne,
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Dich lieb’ ich allein auf der Welt,
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Dem Sohn aus des Holzhackers Hütte
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Die Tochter des Grafen gefällt. –
 
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Du schaust auf mich mit dem Blicke,
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So wie der Herr auf den Knecht,
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Der, statt ihm den Bügel zu halten,
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Sich selbst setzt im Sattel zurecht. –
 
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Ich vertreib’ dir die stolzen Blicke,
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Ja, schau’ mich nur recht an mit Hohn –
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Eh’ sich der Mond wieder wechselt,
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Trag’ ich deine güldene Kron’. –
 
29 
Eh’ sich der Mond wieder wechselt,
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Bist du des Holzhackers Weib,
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Dann leg’ ich die markigen Arme
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Um deinen hochgräflichen Leib. –
 
33 
Und willst du nicht willig dich geben,
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Und folgst du nicht willig zum Wald,
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So schlag’ ich dich doch noch danieder,
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Trotz meiner Liebe Gewalt. –
 
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Dann mögen die Herren mich richten
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Da droben im gräflichen Saal,
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Dann mag der Henker mich treffen,
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So wie ich dich traf mit dem Stahl. –
 
41 
Wir führen dann beide zusammen
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Ein Wappen mit blutiger Kron’,
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Mit Axt und Richtschwert darinnen,
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So liebt es der Holzhackerssohn. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Holzhackers Werbung“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
252
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgegebene Gedicht trägt den Titel „Holzhackers Werbung“ und wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, welcher vom 23. Mai 1847 bis zum 6. März 1912 lebte. Das Gedicht ist somit in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert, die Epoche des Realismus, einzuordnen.

Auf den ersten Blick fällt der starke Kontrast zwischen den beiden Protagonisten des Gedichts auf: das lyrische Ich, ein Holzhacker und Sohn armer Leute, und eine Grafentochter der Oberschicht. Durch die Wiedergabe der unerfüllten Liebe und Sehnsucht des Holzhackerssohns wird die tiefe Kluft zwischen den Gesellschaftsschichten hervorgehoben, die auch vor persönlichen Beziehungen und Gefühlen nicht Halt macht.

In leicht verständlichen Worten beschreibt das Gedicht, wie das lyrische Ich, der Sohn eines Holzhackers, erfolglos um die Liebe einer Grafentochter wirbt. Seine bisherigen Bemühungen, sie durch Worte und Tränen zu gewinnen, waren erfolglos, weshalb er sich nun entscheidet, durch Taten aufzufallen. Dennoch ist sich das lyrische Ich bewusst, dass sein Stand und sein Leben im Schatten der Grafentochter nicht ausreichen, um sie zu gewinnen. In seiner Verzweiflung greift das lyrische Ich zu Gewalt, um die Grafentochter für sich zu gewinnen - ein Ausdruck seiner Hoffnungslosigkeit und seines Schmerzes, die durch die starre gesellschaftliche Ordnung hervorgerufen werden.

Bezüglich der Form des Gedichts fällt auf, dass es aus elf Strophen besteht, die jeweils aus vier Versen bestehen. Die Sprache des Gedichts ist relativ einfach und direkt gehalten, was zum Ausdruck der ungefilterten Emotionen und des sozialen Konflikts beiträgt, den das lyrische Ich erlebt. Darüber hinaus verwenden die Verse mehrere Bilder und Metaphern, um den Kontrast zwischen den beiden Charakteren zu verstärken, wie zum Beispiel das „Grafentochter“ und „Holzhackerssohn“, „Axt“ und „güldene Kron'“, und „Lichtchen“ und „prächtiger Stern“.

Insgesamt präsentiert Kämpchens Gedicht eine darwinschen Einheit von wirklichkeitsgetreuer Darstellung der gesellschaftlichen Unterschiede und tiefgehender Emotionalität, die die inneren Konflikte und Gefühle des lyrischen Ichs widerspiegelt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Holzhackers Werbung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Kämpchen. Kämpchen wurde im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. 1909 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Bochum. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 252 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Der Dichter Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Rhein“, „Am Weinfelder Maar“ und „Am goldenen Sonntag“. Zum Autor des Gedichtes „Holzhackers Werbung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.

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