Himmelsbräute von Heinrich Heine

Wer dem Kloster geht vorbei
Mitternächtlich, sieht die Fenster
Hell erleuchtet. Ihren Umgang
Halten dorten die Gespenster.
 
Eine düstre Prozession
Todter Ursulinerinnen;
Junge, hübsche Angesichter
Lauschen aus Kapuz’ und Linnen.
 
Tragen Kerzen in der Hand,
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Die unheimlich bluthroth schimmern;
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Seltsam wiederhallt im Kreuzgang
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Ein Gewisper und ein Wimmern.
 
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Nach der Kirche geht der Zug,
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Und sie setzen dort sich nieder
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Auf des Chores Buchsbaumstühle
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Und beginnen ihre Lieder.
 
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Litaneienfromme Weisen,
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Aber wahnsinnwüste Worte;
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Arme Seelen sind es, welche
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Pochen an des Himmels Pforte.
 
21 
„Bräute Christi waren wir,
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Doch die Weltlust und bethörte,
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Und da gaben wir dem Cäsar,
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Was dem lieben Gott gehörte.
 
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„Reizend ist die Uniform
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Und des Schnurrbarts Glanz und Glätte;
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Doch verlockend sind am meisten
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Cäsars goldne Epaulette.
 
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„Ach der Stirne, welche trug
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Eine Dornenkrone weiland,
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Gaben wir ein Hirschgeweihe –
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Wir betrogen unsern Heiland.
 
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„Jesus, der die Güte selbst,
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Weinte sanft ob unserer Fehle,
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Und er sprach: Vermaledeit
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Und verdammt sei eure Seele!
 
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„Grabentstieg’ner Spuk der Nacht,
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Müssen büßend wir nunmehre
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Irre gehn in diesen Mauern –
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Miserere! Miserere!
 
41 
„Ach, im Grabe ist es gut,
42 
Ob es gleich viel besser wäre
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In dem warmen Himmelreiche –
44 
Miserere! Miserere!
 
45 
„Süßer Jesus, o vergieb
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Endlich uns die Schuld, die schwere,
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Schließ’ uns auf den warmen Himmel –
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Miserere! Miserere!“
 
49 
Also singt die Nonnenschaar,
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Und ein längst verstorb’ner Küster
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Spielt die Orgel. Schattenhände
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Stürmen toll durch die Register.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Himmelsbräute“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
227
Entstehungsjahr
1851
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Himmelsbräute“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem bekannten deutschen Dichter der Epoche des 19. Jahrhunderts. Schon auf den ersten Blick lässt das Gedicht eine düstere und gruselige Atmosphäre erkennen.

Im Gedicht beschreibt das lyrische Ich eine Szene, in der Geister - genauer gesagt, die Geister der Nonnen eines Klosters - nachts ihre Runden ziehen. Sie tragen Kerzen in ihren Händen und singen ihre Lieder in der Kirche. Dabei äußern sie Reue und Sehnsucht, ihre Sünden vergeben zu bekommen und endlich in den Himmel aufgenommen zu werden. Diese Nonnen waren einst Bräute Christi, doch sie haben ihre Loyalität zu Gott aufgegeben, um Caesar zu dienen, was eine Metapher für ihre Aufgabe des spirituellen Lebens für materielle und irdische Begierden ist. Sie betteln um Vergebung für ihre Taten und hoffen auf Erlösung.

Das Gedicht hat eine klare Struktur mit jeweils vier Versen pro Strophe und einem konstanten Rhythmus. Die Sprache ist bildreich und malerisch, mit einer starken Verwendung von visuellen und auditiven Bildern, um eine unheimliche und gespenstische Stimmung zu erzeugen. Dabei verwendet Heine religiöse Metapher und Symbolik, um die innere Kämpfe und Reue der Nonnen darzustellen.

Die wiederholte Anrufung „Miserere!“ – „erbarme dich!“ am Ende mehrerer Strophen unterstreicht die verzweifelte Bitte der Nonnen um Vergebung und Erlösung. Auch das wiederkehrende Motiv der Kerzen und ihre blutrote Farbe symbolisiert sowohl ihre Schuld als auch ihre Sehnsucht nach Erleuchtung und Vergebung.

Insgesamt zeigt das Gedicht „Himmelsbräute“ eine tiefgründige und düstere Auseinandersetzung mit Glauben, Sünde und Erlösung, und hebt die menschliche Schwäche hervor, Versuchungen zu widerstehen, sowie das tiefe Bedürfnis nach Vergebung und spiritueller Erneuerung.

Weitere Informationen

Heinrich Heine ist der Autor des Gedichtes „Himmelsbräute“. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. 1851 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Hamburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 13 Strophen und umfasst dabei 227 Worte. Die Gedichte „Ach, die Augen sind es wieder“, „Ach, ich sehne mich nach Thränen“ und „Ach, wenn ich nur der Schemel wär’“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Heine. Zum Autor des Gedichtes „Himmelsbräute“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.

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