Herbstgesang von Charles Baudelaire
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Bald wird man uns ins kalte dunkel flössen · |
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Fort! schöner sommer der so kurz nur währt! |
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Schon hör ich wie mit unheilvollen stössen |
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Das holz erdröhnend auf das pflaster fährt. |
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Der ganze winter dringt in mich: bedrängnis |
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Hass zorn und schauder und erzwungner fleiss. |
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Der sonne gleicht im nordischen gefängnis |
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Mein herz · ein roter block und starr wie eis. |
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Ich höre zitternd jeden ast der schüttelt – |
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Ein grabgerüst giebt keinen dumpfern hall – |
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Und an dem turme meines geistes rüttelt |
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Des unermüdlich harten widders prall. |
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Es scheint mir von dem hohlen lärm umgeben |
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Dass man in einen sarg die nägel haut ... |
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Für wen? gestern war sommer · herbst ist eben · |
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Wie abschied klingt der rätselhafte laut. |
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Ich liebe deiner augen grünen schimmer · |
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Du sanfte · doch nur bittres fühl ich heut · |
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Nicht deine liebe nicht kamin und zimmer |
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Ersezt das sonnenlicht aufs meer verstreut. |
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Und dennoch · zarte seele · lieb und hüte |
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Auch den der undankbar mit bösem drang · |
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Geliebte · schwester! sei die flüchtge güte |
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Von herbstesglanz und sonnenuntergang! |
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Ein kurzes werk ... das grab ist gierig lauernd. |
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Ach ich will knieend dir zu füssen sein · |
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Des weissen dürren sommers flucht bedauernd |
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Mich freun am gelben milden spätjahrschein. |
Details zum Gedicht „Herbstgesang“
Charles Baudelaire
8
29
193
nach 1837
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Herbstgesang“ wurde von Charles Baudelaire verfasst, einem der berühmtesten französischen Dichter des 19. Jahrhunderts. Er lebte von 1821 bis 1867 und wird oft der literarischen Epoche des Symbolismus zugeordnet.
Bei der ersten Lektüre kann das Gedicht einen melancholischen, vielleicht sogar deprimierenden Eindruck hinterlassen. Der Dichter verwendet düstere und triste Bilder, um seine Emotionen auszudrücken, wobei er deutlich macht, dass er den Wandel der Jahreszeiten von Sommer zu Herbst und anschließend Winter nicht freudig erwartet.
Inhaltlich geht es in diesem Gedicht darum, wie das lyrische Ich den nahenden Herbst und Winter wahrnimikt und welche Gefühle diese Jahreszeiten in ihm auslösen. Es wird eine deutliche Abneigung gegen die kalte und dunkle Jahreszeit ausgedrückt, welche das lyrische Ich mit negativen Empfindungen wie Bedrängnis, Hass, Zorn und erzwungenem Fleiß assoziiert (Strophe 2).
In Bezug auf die Form und Sprache des Gedichts fällt auf, dass Baudelaire sich hauptsächlich einer sehr bildhaften, metaphorischen Sprache bedient, um seine Gefühle und Wahrnehmungen auszudrücken. Durch den Gebrauch von Reimen und der regelmäßigen Anzahl von Versen pro Strophe wirkt das Gedicht trotz seines düsteren Inhalts ästhetisch und wohl strukturiert.
Das Gedicht klingt jedoch nicht nur deprimierend. In den letzten Strophen ist ein Wechsel der Perspektive zu erkennen. Das lyrische Ich spricht eine nicht näher definierte geliebte Person an und drückt Liebe und Zärtlichkeit für sie aus (Strophe 6 und 7). Zugleich betont das lyrische Ich, dass trotz seiner dunklen Gefühle, es den Herbst und den Sonnenuntergang schätzt und sich am „gelben milden Spätjahrschein“ erfreut (Strophe 8). Hier zeigt sich eine differenziertere Haltung gegenüber dem Wechsel der Jahreszeiten, die vielleicht auch eine allgemeinere Aussage über das Leben und dessen Veränderungen und Schwierigkeiten trifft.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Herbstgesang“ des Autors Charles Baudelaire. Der Autor Charles Baudelaire wurde 1821 in Paris geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1837 bis 1867 entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 29 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 193 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Charles Baudelaire sind „Anziehender Schauder“, „Aufschrift auf ein verpöntes Buch“ und „Aufschwung“. Zum Autor des Gedichtes „Herbstgesang“ haben wir auf abi-pur.de weitere 101 Gedichte veröffentlicht.
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