Herbst in der Bodega von Joachim Ringelnatz

Mich kitzelt was – nichts weibliches –
Im linken Nasenloche.
Ich habe ein unbeschreibliches
Wundsehnen seit einer Woche.
 
Ich möchte in feuchter Buntblätternatur
Gerührt sein und Trauerndes dichten.
Ich grüble. Doch was mir einfällt, sind nur
Ganz spaßhafte, dumme Geschichten.
 
Mein Sinn ist mild und mein Herz ist naß.
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Ich suche ein träumendes Märchen.
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Doch der Kellner lacht und mich kitzelt etwas
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In der Nase. Wahrscheinlich ein Härchen.
 
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Kein Weh ergreift mich. Jetzt muß ich sogar
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Noch über mich selber lachen. –
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Schluß Herz! Jetzt will ich das kleine Haar
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Mit dem Finger unschädlich machen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Herbst in der Bodega“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
92
Entstehungsjahr
1934
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Joachim Ringelnatz, ein deutscher Schriftsteller und Kabarettist, der im Zeitraum von 1883 bis 1934 lebte. Die thematische und stilistische Bandbreite seiner Werke ist sehr weit und reicht von humorvollen Absurditäten und Surrealismus bis zu melancholischen und zärtlichen Betrachtungen. Diese Bandbreite spiegelt sich auch in dem hier vorliegenden Gedicht „Herbst in der Bodega“ wider.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll und selbstironisch. Das lyrische Ich schildert seine mehr oder weniger vergeblichen Versuche, in der herbstlichen Stimmung, die ihn umgibt, Inspiration für melancholische, tiefsinnige Gedichte zu finden.

Inhaltlich thematisiert Ringelnatz die paradoxe Situation, dass das lyrische Ich trotz einer emotionalen und atmosphärischen Stimmung, die normalerweise zu Melancholie und poetischer Inspiration führen würde, nur „ganz spaßhafte, dumme Geschichten“ produzieren kann und sogar über sich selbst lachen muss. Dieser Humor über sich selbst hindert das lyrische Ich daran, sich in der Melancholie zu verlieren und behält so eine gewisse Distanz zu seinen eigenen Emotionen.

Die Form des Gedichts beinhaltet vier Vierzeiler, die, ähnlich wie eine Kurzgeschichte, Szenen und Situationen darstellen, die aufeinander aufbauen und eine narrative Struktur ergeben. Zum Ende der einzelnen Strophen hin verdichtet sich der Inhalt oft in einer pointierten Aussage oder einem humorvoll-sarkastischen Kommentar des lyrischen Ichs.

Die Sprache des Gedichts ist dabei direkt und alltagsnah, verzichtet weitestgehend auf klassische Reime und Metaphern und erzeugt so einen starken Kontrast zu der melancholischen, herbstlichen Atmosphäre, die das lyrische Ich zu umgeben scheint.

Zusammenfassend lässt sich das Gedicht als eine humorvolle, aber auch deutlich selbstreflexive Auseinandersetzung mit dem eigenen Schreibprozess und dem spannungsvollen Spiel von Emotionen und Inspiration, Ernsthaftigkeit und Humor interpretieren.

Weitere Informationen

Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Herbst in der Bodega“. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1934 entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 92 Worte. Die Gedichte „7. August 1929“, „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ und „Abermals in Zwickau“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Herbst in der Bodega“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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