Herbst von Georg Heym

Die Faune treten aus den Wäldern alle,
Des Herbstes Chor. Ein ungeheurer Kranz.
Die Hände haltend, springen sie zum Schalle
Der Widderhörner froh zu Tal im Tanz.
 
Der Lenden Felle schüttern von dem Sturze,
Die weiß und schwarz wie Ziegenvließ gefleckt.
Der starke Nacken stößt empor das kurze
Gehörn, das sich aus rotem Weinlaub streckt.
 
Die Hufe schallen, die vom Horne starken.
10 
Den Thyrsus haun sie auf die Felsen laut.
11 
Der Paian tönt in die besonnten Marken,
12 
Der Brustkorb bläht mit zottig schwarzer Haut.
 
13 
Des Waldes Tiere fliehen vor dem Lärme
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In Scharen flüchtig her und langem Sprung.
15 
Um ihre Stirnen fliegen Falterschwärme,
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Berauscht von ihrer Kränze Duft und Trunk.
 
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Sie nahn dem Bache, der von Schilf umzogen
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Durch Wiesen rauscht. Das Röhricht läßt sie ein.
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Sie springen mit den Hufen in die Wogen
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Und baden sich vom Schlamm der Wälder rein.
 
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Das Schilfrohr tönt vom Munde der Dryaden,
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Die auf den Weiden wohnen im Geäst.
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Sie schaun herauf. Ihr Rücken glänzt vom Baden
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Wie Leder braun und wie von Öl genäßt.
 
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Sie brüllen wild und langen nach den Zweigen.
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Ihr Glied treibt auf, von ihrer Gier geschwellt.
27 
Die Elfen fliegen fort, wo noch das Schweigen
28 
Des Mittagstraums auf goldnen Höhen hält.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Herbst“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
202
Entstehungsjahr
1911
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht ist von Georg Heym, einem deutschen Lyriker, der der literarischen Stilrichtung des Expressionismus zugeordnet wird. Die Werke von Heym entstanden hauptsächlich in der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. In diesem konkreten Fall handelt es sich um das Gedicht „Herbst“, das durch seine detailreiche Beschreibungen und die intensive Stimmungsmalerei charakteristisch für Heyms Dichtung ist.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine lebendige, teils wilde Schilderung der herbstlichen Natur. Inhaltlich handelt das Gedicht von Faunen, die aus den Wäldern treten und einen großen Herbsttanz vollführen. Die Interaktion mit der Natur spielt eine große Rolle, von der Flucht der Waldtiere vor dem Lärm des Tanzes, bis hin zum Baden der Faune im Bach, um den Waldschlamm abzuwaschen. Sie brüllen wild, greifen nach Zweigen und scheinen eine rohe, animalische Ausgelassenheit auszustrahlen.

Durch das lyrische Ich wird besonders die Wildheit und gleichzeitig Schönheit des Naturgeschehens hervorgehoben. Die Faune scheinen voller Lebensfreude und ausgelassen zu sein, was einerseits ihre triebhafte, animalische Seite betont, andererseits aber auch ihre intensive Verschmelzung mit der Natur und den Jahreszeiten widerspiegelt. Sie sind ein Teil des Herbstes, wie der Herbst ein Teil von ihnen ist.

Auf formaler Ebene ist das Gedicht in sieben Strophen eingeteilt, die jeweils vier Verse umfassen. Die Sprache von Heym ist bildreich und voller Metaphern. Die Adjektive, die er verwendet, tragen stark zur Atmosphäre des Gedichts bei: „ungeheurer Kranz“, „froh zu Tal“, „zottig schwarz“, „von Öl genäßt“. Dabei entsteht ein Gegensatz zwischen der rauen, ungezügelten Natur und der anmutigen, vollkommenen Schönheit, die sie in sich birgt.

Abschließend lässt sich sagen, dass Georg Heyms Gedicht „Herbst“ eine eindrucksvolle Schilderung der Natur im Herbst darstellt, die durch ihre animalische Wildheit und gleichzeitig faszinierende Schönheit besticht. Der expressionistische Stil des Gedichts spiegelt sich in der intensiven Bildsprache und der emotionalen Beschreibung der faunischen Tänzer wider.

Weitere Informationen

Georg Heym ist der Autor des Gedichtes „Herbst“. Heym wurde im Jahr 1887 in Hirschberg geboren. Im Jahr 1911 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 202 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Heym sind „Der Baum“, „Der Blinde“ und „Der Fliegende Holländer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Herbst“ weitere 79 Gedichte vor.

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