Heinrich von Meißen von Louise Otto-Peters

Vergeblich Mühen, in der Chronik blättern
Drin Deutschlands beste Namen sind gebucht –
Wohl steht da „Frauenlob“ mit großen Lettern,
Doch weiter find’ ich nicht, was ich gesucht:
Wie er gelebt, der also schön gesungen
Den Meistersang, das deutsche Minnelied?
Sein Leben in Vergessenheit geriet,
Indes sein Lied doch bis zu uns gedrungen,
Ein Klang der die Jahrhunderte durchzieht.
 
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Von seinem Tod allein wird uns berichtet:
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Er starb zu Mainz – und der der Frauen Lob
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In holden Versen also schön gedichtet,
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Der Frauen Dank auf zarte Schultern hob:
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Es ward sein Sarg von Frauen nur getragen
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Geschmückt mit Blumen und mit Eichenlaub,
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Kein Aug’ blieb trocken und kein Ohr blieb taub,
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Bei ihren Trauersängen, ihren Klagen;
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Im hohen Dom ruht noch des Sängers Staub.
 
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Wohl mag ich solchen edlen Landsmann preisen,
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Der einst die deutschen Schwestern so geehrt,
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Und dessen Namen: „Heinerich von Meißen“
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Zu „Heinrich Frauenlob“ die Zeit verklärt.
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Nach seinem Schicksal gilt es nicht zu fragen,
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Es ist erzählt von seinem Leichenzug:
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Ein Dichter war er, dem im Busen schlug
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Ein flammend Herz, das ein Eliaswagen,
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Die Erde feiernd, doch zum Himmel trug.
 
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Wer so der Frauen Huldigung empfangen,
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Hat auch verstanden edler Frauen Herz,
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Verstanden einer Frauenseele Bangen
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Und tief gefühlt der Liebe Lust und Schmerz
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Der wandelte in Frömmigkeit und Sitte,
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Der war ein freier Mann, ein starker Held,
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Bereit zum Kampfe wider eine Welt,
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Sang gerne auch in zarter Frauen Mitte,
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Sein Lied am Herde wie im Kriegerzelt.
 
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Der schlang um zarte Stirnen Rosenkronen,
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Erwarb sich selbst den Lorber in der Schlacht,
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Von holden Frauen ließ er gern sich lohnen,
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Ob er gekämpfet, ob im Lied gedacht.
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So zog durch’s Leben er im Dienst der Minne,
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Und seine Herrin hat ihn hoch beglückt,
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Ja ihn zu aller Frauen Preis entzückt,
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Sie, die so treu und von so hohem Sinne,
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Sein Lied mit holder Anmut ausgeschmückt.
 
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Maguntia! ich knie in deinem Dome,
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An Deinem Grabe, Heinrich Frauenlob,
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Ich grüße Dich am edlen Rheinesstrome,
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Der mich mit seinen Zaubern ganz umwob –
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Gleich dir vom Meißner Land mich hergetragen,
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Gelockt zu seinem Nibelungenhort.
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Dein Grab ist mir auch ein geweihter Ort,
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Drum rausch auch einer Jungfrau Leierschlagen
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Zu seinem Preis durch alle Lande fort.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Heinrich von Meißen“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
54
Anzahl Wörter
366
Entstehungsjahr
1860-1870
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichts „Heinrich von Meißen“, auch bekannt als „Heinrich Frauenlob“, das als Ehrerbietung an den gleichnamigen mittelalterlichen Dichter dient. Die Faktoren wie die Geburts- und Todestage der Autorin (1819-1895) und die behandelten Themen könnten das Gedicht in die Epoche des Realismus oder im Übergang zum Naturalismus einordnen.

Das Gedicht korrespondiert zu einem ersten Eindruck von Tiefe und Respekt, die sowohl für die Autorin als auch für Heinrich Frauenlob von Bedeutung sind. Die Poesie ist mit Bewunderung für Frauenlob durchzogen und zeugt von einer starken Wertschätzung seiner Arbeit und dessen Einfluss.

Im Inhalt verweist das lyrische Ich auf das erfolglose Mühen, Informationen über das Leben von Frauenlob zu finden, trotz der Reichweite und des Einflusses seiner Poesie. Das lyrische Ich beklagt, dass während seine Poesie die Zeiten überdauert hat, Informationen über sein Leben verloren gegangen sind. Über seinen Tod ist bekannt, dass sein Sarg nur von Frauen getragen wurde, was auf die Wertschätzung hindeutet, die er den Frauen entgegengebracht hatte und welche sie ihm im Gegenzug zeigten.

Die Bedeutung von Frauenlob als Dichter wird hier hervorgehoben, indem er als jemand dargestellt wird, der ein tiefes Verständnis für das weibliche Herz hatte und das Lob der Frauen wortgewandt in seinen Gedichten ausdrückte. Zudem dichtet das lyrische Ich, das zu einer Jungfrau an Frauenlobs Grab spricht, über seinen eigenen Leierschlag, den sie fortsetzen will.

Der Stil des Gedichts ist geprägt von Einfachheit und Klarheit, wobei sich die ehrliche Bewunderung der Autorin für Frauenlob im gesamten Text widerspiegelt. Es besteht aus sechs Strophen mit je neun Versen, was ein ungewöhnliches Format ist. Die Sprache ist einfach und präzise, und die Poesie enthält eine Vielzahl von bildhaften und emotionalen Bildern, die auf die tiefe Ehrfurcht der Autorin für Frauenlob hinweisen. Insbesondere verwendet die Autorin Begriffe wie „Frauenlob“ und „Eliaswagen“ sowie detaillierte Beschreibungen seiner Bestattungszeremonie, um sein Leben und Vermächtnis zu veranschaulichen. Die Verwendung dieser Elemente trägt zur erzählenden und ehrfurchtsvollen Atmosphäre des Gedichts bei und zeigt das tiefgreifende Ansehen, das Frauenlob genoss.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Heinrich von Meißen“ der Autorin Louise Otto-Peters. Geboren wurde Otto-Peters im Jahr 1819 in Meißen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1870. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 366 Worte. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „Auf dem Kynast“, „Bergbau“ und „Berufung“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Heinrich von Meißen“ weitere 106 Gedichte vor.

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