An das Jahr von Rudolf Lavant
1 |
Du bringst den Lenz, der alles fahle |
2 |
Gezweig in grüne Schleier hüllt, |
3 |
Der über Nacht uns alle Thale |
4 |
Mit Blüthenschnee auf Wochen füllt; |
5 |
Du bringst der Falter bunte Schwingen, |
6 |
Der Maienglöckchen feinen Duft, |
7 |
Des Lerchenwirbels Niederklingen |
8 |
Aus blauer, wolkenloser Luft. |
|
|
9 |
Du wirst in Schweiß die Stirnen baden, |
10 |
Wenn rings des Mähers Sense blinkt, |
11 |
Wenn das gereifte Korn in Schwaden |
12 |
Zur Erde rauschend niedersinkt; |
13 |
Du heißest in die Scheuern führen |
14 |
Der unverdrossnen Mühe Lohn, |
15 |
Du hängst uns über alle Thüren |
16 |
Den Erntekranz aus wildem Mohn. |
|
|
17 |
Du färbst das satte Grün der Wälder |
18 |
In Purpur um und Gold und Rost, |
19 |
Du füllst die Bütten und die Kelter |
20 |
Mit Trauben an und süßem Most; |
21 |
Du bringst die Klarheit und das Schweigen, |
22 |
Der schnellen Wandervögel Rast, |
23 |
Du streifst von tiefgesenkten Zweigen |
24 |
Der rothgewangten Früchte Last. |
|
|
25 |
Du zauberst Blumen an die Scheiben, |
26 |
Du schlägst uns auf ein ernstes Buch, |
27 |
Du webst in stillgeschäft’gem Treiben |
28 |
Der Saat ein weiches, warmes Tuch; |
29 |
Du giebst von Stahl dem Fuße Flügel, |
30 |
Du formst in Knabenhand den Ball – |
31 |
Du sendest über Thal und Hügel |
32 |
Der Weihnachtsglocken Friedenshall. |
|
|
33 |
Doch – wolle mild dich auch erbarmen |
34 |
Des Sklaven in der Mühsal Haft, |
35 |
Der Tag und Nacht mit nerv’gen Armen |
36 |
Um kargen Lohn verzweifelt schafft, |
37 |
Der düster, in verbissnem Schweigen, |
38 |
An der Maschine Kreisen steht, |
39 |
An dem des Jahres Zauberreigen |
40 |
Fast ungesehn vorübergeht. |
|
|
41 |
Du siehst, erlahmen und ermatten |
42 |
Muß in dem Einerlei sein Hirn; |
43 |
Leg’ deine kühlsten Waldesschatten |
44 |
Auf seine heiße, müde Stirn; |
45 |
Laß deine reinsten Höhenlüfte |
46 |
Erquicken die gepreßte Brust |
47 |
Und spende ihm die Rosendüfte, |
48 |
Das Lerchenlied der Sommerlust! |
Details zum Gedicht „An das Jahr“
Rudolf Lavant
6
48
258
1893
Naturalismus,
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „An das Jahr“ wurde von Rudolf Lavant geschrieben, einem deutschen Autor, der von 1844 bis 1915 lebte. Dies legt die Vermutung nahe, dass dieses Werk im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert entstanden ist.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine detaillierte und verträumte Beschreibung der verschiedenen Jahreszeiten und der damit verbundenen Ereignisse und Gefühle. Es enthält sowohl eine ausgeprägte Naturbeschreibung als auch soziale und humane Elemente.
Das Gedicht besteht im Großen und Ganzen aus sechs Oktaven (Strophen mit acht Versen). Jede Octave repräsentiert einen Abschnitt des Jahres. Im ersten Teil werden Frühling und Natur erwacht beschrieben. Das lyrische Ich spricht vom grünen Schleier der Pflanzen und dem Schneiden der Ernte im Sommer. Die dritte Strophe erzählt von Farbwechseln, reifem Obst und der Ernte im Herbst. Die vierte Strophe handelt vom Winter, dem Weihnachtsfrieden.
Das Gedicht nimmt jedoch in den letzten beiden Strophen eine deutliche Wendung: Es spricht die harte Arbeit der Arbeiter an und fordert das Jahr auf, sich ihrer anzunehmen. Mit der Phrase „des Sklaven in der Mühsal Haft“ offenbart sich eine symbolische Konnotation. Das bisher scheinbare Liebeslied an das vergängliche Jahr bekommt hier eine sozialkritische Note und kann hier als Metapher auf die damalige Arbeitssituation der Bevölkerung im Zuge der Industrialisierung verstanden werden.
Formal zeigt das Gedicht eine strukturierte Form, die jeweils acht Verse pro Strophe enthält. Die Sprache ist malerisch und bildhaft, die Naturerscheinungen werden anthropomorphisieren „Du“. Lavants Gebrauch von Farben und Gerüchen erzeugt eine intensive Sinneserfahrung, während seine Verwendung konkreter Bilder und Symbole Emotionen und eine tiefgehende Botschaft hervorhebt.
Zussamenfassend lässt sich sagen, dass Raschs Gedicht „An das Jahr“ eine komplexe und sorgfältige Untersuchung der natürlichen Welt und der menschlichen Erfahrungen darstellt, die es fördert. Es liefert eine intensive, sinnesbetonte Darstellung der Jahreszeiten und stellt gleichzeitig soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit heraus.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „An das Jahr“ ist Rudolf Lavant. Lavant wurde im Jahr 1844 in Leipzig geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1893 zurück. Der Erscheinungsort ist Stuttgart. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 258 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Der Dichter Rudolf Lavant ist auch der Autor für Gedichte wie „An unsere Feinde“, „An unsere Gegner“ und „An la belle France.“. Zum Autor des Gedichtes „An das Jahr“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Weitere Gedichte des Autors Rudolf Lavant (Infos zum Autor)
- Agrarisches Manifest
- An Herrn Crispi
- An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz
- An den Kladderadatsch
- An die Frauen
- An die alte Raketenkiste
- An unsere Feinde
- An unsere Gegner
- An la belle France.
- Bekenntnis
Zum Autor Rudolf Lavant sind auf abi-pur.de 96 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt