Heiliger Morgen von Otto Ernst
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Von den Tannen träufelt Märchenduft; |
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Leise Weihnachtsglocken sind erklungen - |
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Blinkend fährt mein Hammer durch die Luft; |
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Denn ein Spielzeug zimmr' ich meinem Jungen. |
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Graue Wolken kämpfen fernen Kampf; |
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Blau darüber strahlt ein harter Himmel. |
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Durch die Nüstern stößt den weißen Dampf |
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Vor der Tür des Nachbars breiter Schimmel. |
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Kommt Herr Doktor Schlapprian daher, |
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Zigaretten- und Absinthvertilger! |
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Voll erhab'nen Hohnes lächelt er, |
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Hirn- und lendenlahmer Abwärtspilger. |
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Spöttisch grüßend schlendert er dahin |
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Und - verachtet mich, den blöden Gimpel, |
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Der gefügig spannt den dumpfen Sinn |
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In die Enge, ein „Familiensimpel“. - |
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Rote Sonne überm Schneegefild: |
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Und das weite Feld ein Sterngewimmel! |
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Und ins Auge spann ich euer Bild, |
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Wundererde - unerforschter Himmel. |
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Und den frischen, kalten, klaren Tag |
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Saug' ich ein mit gierig starken Lungen - |
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Pfeifend trifft mein Hammer Schlag um Schlag, |
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Und ein Spielzeug zimmr' ich meinem Jungen. |
Details zum Gedicht „Heiliger Morgen“
Otto Ernst
6
24
139
1907
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Otto Ernst, ein deutscher Schriftsteller und Dichter, der von 1862 bis 1926 lebte. Das Gedicht wurde also ungefähr in der Zeit des ausgehenden 19. oder frühen 20. Jahrhunderts verfasst, einer Epoche, die durch industrielle Fortschritte und gesellschaftliche Veränderungen gekennzeichnet ist.
Bei der ersten Lektüre bekommt man einen Eindruck von einer friedvollen, winterlichen Atmosphäre, ein Gefiel von ruhiger Beschaulichkeit, die durch die Arbeit des lyrischen Ichs gebrochen wird, dem dieses friedvolle Umfeld scheinbar gleichgültig ist.
Inhaltlich gibt das lyrische Ich seine Beobachtungen und Gedanken innerhalb eines ruhigen Morgen wieder. Es beschreibt die Winterlandschaft, seine Arbeit - ein Spielzeug für seinen Sohn bauen - und den Besuch von Herr Doktor Schlapprian. Es scheint von einer ruhigen, familiären Szenerie zu erzählen, aber es gibt auch subtile Anspielungen auf gesellschaftliche Unterschiede und Werturteile.
Das lyrische Ich lebt in einer Welt leiser Überlegenheit und einfacher Freuden, aber es fühlt sich auch unverstanden und von Herrn Doktor Schlapprian, einer möglichen Verkörperung der „höheren Gesellschaft“, verachtet. Er präsentiert sich als fleißig und zufrieden mit seinem bescheidenen Leben und gleichzeitig zieht er die lächerliche Darstellung des Arztes vor.
Form und Sprache des Gedichts sind einfach gehalten. Es besteht aus sechs Stunden mit je vier Versen, was eine klare Struktur vermittelt. Die Sprache ist bildhaft und malerisch, oft mit kontrastierenden Bildern, um die Unterschiede zwischen den Charakteren und ihren Lebensstilen zu verdeutlichen. Der Dichter nutzt außerdem Alliterationen und raffinierte Reime, um das Lesen angenehm und melodisch zu gestalten.
Insgesamt ist das Gedicht ein faszinierender Blick auf das einfache Leben im Gegensatz zur sogenannten „höheren Gesellschaft“, und obwohl es scheinbar eine Feier des Einfachen ist, stellt es auch Fragen über Anerkennung, Respekt und das Streben nach Glück - Fragen, die auch heute noch relevant sind.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Heiliger Morgen“ des Autors Otto Ernst. 1862 wurde Ernst in Ottensen bei Hamburg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1907. In Leipzig ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 139 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Die Gedichte „Auflösung“, „Aus einer Nacht“ und „Ausflug“ sind weitere Werke des Autors Otto Ernst. Zum Autor des Gedichtes „Heiliger Morgen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 64 Gedichte vor.
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Zum Autor Otto Ernst sind auf abi-pur.de 64 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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