Der Todesengel von Jakob van Hoddis
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Mit Trommelwirbeln geht der Hochzeitszug, |
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In seidner Sänfte wird die Braut getragen, |
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Durch rote Wolken weißer Rosse Flug, |
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Die ungeduldig goldne Zäume nagen. |
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Der Todesengel harrt in Himmelshallen |
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Als wüster Freier dieser zarten Braut. |
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Und seine wilden, dunklen Haare fallen |
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Die Stirn hinab, auf der der Morgen graut. |
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Die Augen weit, vor Mitleid glühend offen |
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Wie trostlos starrend hin zu neuer Lust, |
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Ein grauenvolles, nie versiegtes Hoffen, |
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Ein Traum von Tagen, die er nie gewusst. |
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Er kommt aus einer Höhle, wo ein Knabe |
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Ihn als Geliebte wunderzart umfing. |
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Er flog durch seinen Traum als Schmetterling |
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Und ließ ihn Meere sehn als Morgengabe. |
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Und Lüfte Indiens, wo an Fiebertagen |
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Das greise Meer in gelbe Buchten rennt. |
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Die Tempel, wo die Priester Zimbeln schlagen, |
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Um Öfen tanzend, wo ein Mädchen brennt. |
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Sie schluchzt nur leise, denn der Schar Gesinge |
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Zeigt ihr den Götzen, der auf Wolken thront |
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Und Totenschädel trägt als Schenkelringe, |
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Der Flammenqual mit schwarzen Küssen lohnt. |
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Betrunkne tanzen nackend zwischen Degen, |
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Und einer stößt sich in die Brust und fällt. |
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Und während blutig sich die Schenkel regen, |
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Versinkt dem Knaben Tempel, Traum und Welt. |
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Dann flog er hin zu einem alten Manne |
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Und kam ans Bett als grüner Papagei. |
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Und krächzt das Lied: "O schmähliche Susanne!" |
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Die längst vergessne Jugendlitanei. |
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Der stiert ihn an. Aus Augen glasig blöde |
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Blitzt noch ein Strahl. Ein letztes böses Lächeln |
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Zuckt um das zahnlose Maul. Des Zimmers Öde |
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Erschüttert jäh ein lautes Todesröcheln. |
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Die Braut friert leise unterm leichten Kleide. |
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Der Engel schweigt. Die Lüfte ziehn wie krank. |
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Er stürzt auf seine Knie. Nun zittern beide. |
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Vom Strahl der Liebe, der aus Himmeln drang. |
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Posaunenschall und dunkler Donner lachen. |
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Ein Schleier überflog das Morgenrot. |
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Als sie mit ihrer zärtlichen und schwachen |
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Bewegung ihm den Mund zum Küssen bot. |
Details zum Gedicht „Der Todesengel“
Jakob van Hoddis
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1887 - 1942
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Todesengel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Jakob van Hoddis. Der Autor Jakob van Hoddis wurde 1887 in Berlin geboren. Zwischen den Jahren 1903 und 1942 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. van Hoddis ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 294 Wörter. Es baut sich aus 15 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Die Gedichte „Der Oberlehrer“, „Am Lietzensee“ und „Weltende“ sind weitere Werke des Autors Jakob van Hoddis. Zum Autor des Gedichtes „Der Todesengel“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.
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