Grenzen der Menschheit von Johann Wolfgang von Goethe

Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sä’t,
Küß’ ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
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Treu in der Brust.
 
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Denn mit Göttern
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Soll sich nicht messen
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Irgend ein Mensch.
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Hebt er sich aufwärts,
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Und berührt
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Mit dem Scheitel die Sterne,
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Nirgends haften dann
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Die unsichern Sohlen,
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Und mit ihm spielen
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Wolken und Winde.
 
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Steht er mit festen,
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Markigen Knochen
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Auf der wohlgegründeten,
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Dauernden Erde;
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Reicht er nicht auf,
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Nur mit der Eiche
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Oder der Rebe
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Sich zu vergleichen.
 
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Was unterscheidet
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Götter von Menschen?
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Daß viele Wellen
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Vor jenen wandeln,
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Ein ewiger Strom:
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Uns hebt die Welle,
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Verschlingt die Welle,
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Und wir versinken.
 
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Ein kleiner Ring
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Begränzt unser Leben,
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Und viele Geschlechter
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Reihen sich dauernd
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An ihres Daseyns
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Unendliche Kette.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Grenzen der Menschheit“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
131
Entstehungsjahr
spätestens 1781
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Grenzen der Menschheit“ von Johann Wolfgang von Goethe beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Gott und stellt die Begrenztheit des Menschen in den Mittelpunkt. Das lyrische Ich drückt dabei seine Ehrfurcht und Kindlichkeit gegenüber dem heiligen Vater aus, wenn dieser segnende Blitze aus rollenden Wolken über die Erde verteilt. Es erkennt dabei die Übermacht der Götter an und betont, dass sich kein Mensch mit ihnen messen sollte.

Für das lyrische Ich kann der Mensch zwar aufwärts streben und mit seinem Kopf die Sterne berühren, doch niemals wird er auf gleicher Augenhöhe mit den Göttern sein. Während der Mensch auf der Erde mit festen Knochen steht und sich nur mit der Eiche oder der Rebe messen kann, wandeln viele Wellen vor den Göttern und ein ewiger Strom trägt sie fort. Der Mensch hingegen wird von den Wellen erhoben und verschluckt, ehe er versinkt.

Das Gedicht zeigt damit die Endlichkeit des Lebens auf und führt uns vor Augen, dass das Leben des Menschen durch enge Grenzen bestimmt ist. Die unendliche Kette der Existenz durch viele Geschlechter hinweg wird durch einen kleinen Ring begrenzt und das Leben jedes Einzelnen ist endlich. Das lyrische Ich erkennt dabei an, dass der Mensch ein Teil des Ganzen ist und seine Endlichkeit und Begrenztheit akzeptieren und wertschätzen sollte.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Grenzen der Menschheit“ ist Johann Wolfgang von Goethe. Der Autor Johann Wolfgang von Goethe wurde 1749 in Frankfurt am Main geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1781. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Dichter der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit zu erreichen. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche sowie die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Goethe, Schiller, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik betrachtet werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch eine enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das vorliegende Gedicht umfasst 131 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An den Selbstherscher“, „An die Entfernte“ und „An die Günstigen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Grenzen der Menschheit“ weitere 1618 Gedichte vor.

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