Gruft von Georg Heym

Die in der großen Gruft des Todes ruhen,
Wie schlafen sie so stumm im hohlen Sarg.
Des Todes Auge schaut auf stumme Truhen
Aus schwarzem Marmorhaupte hohl und karg.
 
Sein dunkler Mantel starrt von Staub und Spinnen.
Vor alters schlossen sie der Toten Gruft.
Vergessen wohnen sie. Die Jahre rinnen
Ein unbewegter Strom in dumpfer Luft.
 
Nach Weihrauch duftet es und morschen Kränzen,
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Von trocknen Salben ist die Luft beschwert.
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Und in geborstnen Särgen schwimmt das Glänzen
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Der Totenkleider, dran Verwesung zehrt.
 
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Aus einer Fuge hängt die schmale Hand
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Von einem Kind, wie Wachs so weiß und kalt,
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Die, balsamiert, sich um das Sammetband
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Der schon in Staub zerfallnen Blumen krallt.
 
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Durch kleine Fenster hoch im Dunkel oben
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Verirrt sich gelb des Winterabends Schein.
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Sein schmales Band, mit blassem Staub verwoben,
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Ruht auf der Sarkophage grauem Stein.
 
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Der Wind zerschlägt ein Fenster. Aus den Händen
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Nimmt er der Toten dürre Kränze fort
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Und treibt sie vor sich hin an hohen Wänden,
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In ewigen Schatten weit und dunklen Ort.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Gruft“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
168
Entstehungsjahr
1911
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gruft“ stammt aus der Feder des Expressionisten Georg Heym, der von 1887 bis 1912 lebte. Das Gedicht ist daher wohl im frühen 20. Jahrhundert entstanden.

Auf den ersten Eindruck hinterlässt das Gedicht einen düsteren, melancholischen Eindruck, bedingt durch die morbide Thematik und die düstere Beschreibung der Grablegung und des Todes.

Inhaltlich wird eine Szene in einer Gruft beschrieben, in der die Toten ruhen. Das lyrische Ich beschreibt, wie die verstorbenen Personen im Todesschlaf ruhen und schon vergessen sind. Die Toten sind umgeben von Spinnweben und Staub, symbolisch für das Vergehen der Zeit. In der Gruft riecht es nach Weihrauch und alten Kränzen, die Luft ist erfüllt vom Geruch trockener Salben, Symbole für Tod und Vergänglichkeit. Besonders prägnant ist die Darstellung einer kleinen, blassen und kalten Hand, die aus einem Sarg heraushängt, vermutlich von einem Kind. Das ganze Bild wird durch das Einfallen des dunklen Winterabendlichts durch ein kleines Fenster vervollständigt.

Die Darstellungen und Beobachtungen des lyrischen Ichs zeugen von einer intensiven und tiefgründigen Reflektion über Themen wie Vergänglichkeit, Tod und Vergessenheit. Die düstere und triste Atmosphäre lässt auf eine melancholische oder trostlose Stimmung des lyrischen Ichs schließen.

Formal besteht das Gedicht aus sechs vierzeiligen Strophen, in denen Heym konsequent einen Endreim in der Form aabb verwendet. Die Sprache des Dichters ist präzise und bildhaft, verbunden mit einer ausdrucksstarken Symbolik. Durch die bewusste Wahl von Worten wie „schwarzem Marmorhaupte“, „dumpfer Luft“, „morschen Kränzen“ und „Verwesung“ erzeugt Georg Heym eine düstere und bedrückende Stimmung, die der Thematik des Todes und der Vergänglichkeit entspricht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gruft“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Im Jahr 1911 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 168 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Heym sind „Berlin II“, „Berlin III“ und „Bist Du nun tot?“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gruft“ weitere 79 Gedichte vor.

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