Griechenland von Johann Christian Friedrich Hölderlin
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Hätt’ ich dich im Schatten der Platanen, |
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Wo durch Blumen der Cephissus rann, |
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Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen, |
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Wo die Herzen Sokrates gewann, |
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Wo Aspasia durch Myrthen wallte, |
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Wo der brüderlichen Freunde Ruf |
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Aus der lärmenden Agora schallte, |
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Wo mein Plato Paradiese schuf, |
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Wo den Frühling Festgesänge würzten |
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Wo die Ströme der Begeisterung |
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Von Minervens heil’gem Berge stürzten – |
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Der Beschützerin zur Huldigung – |
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Wo in tausend süßen Dichterstunden, |
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Wie ein Göttertraum, das Alter schwand, |
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Hätt’ ich da, Geliebter! Dich gefunden, |
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Wie vor Jahren dieses Herz dich fand; |
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Ach! wie anders hätt’ ich dich umschlungen! – |
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Marathons Heröen sangst du mir, |
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Und die schonste der Begeisterungen |
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Lächelte vom trunknen Auge dir, |
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Deine Brust verjüngten Siegsgefühle. |
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Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt, |
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Drükte nicht des Lebens stumpfe Schwüle, |
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Die so karg der Hauch der Freude kühlt. |
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Ist der Stern der Liebe dir verschwunden? |
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Und der Jugend holdes Rosenlicht? |
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Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden |
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Fühltest du die Flucht der Jahre nicht, |
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Ewig, wie der Vesta Flamme, glühte |
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Muth und Liebe dort in jeder Brust, |
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Wie die Frucht der Hesperiden, blühte |
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Ewig dort der Jugend stolze Lust. |
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Ach! es hätt’ in jenen bessern Tagen |
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Nichts umsonst so brüderlich und gros |
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Für das Volk dein liebend Herz geschlagen, |
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Dem so gern der Freude Zähre floss! – |
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Harre nun! sie kömmt gewiss die Stunde, |
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Die das Göttliche vom Kerker trennt – |
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Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde, |
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Edler Geist! umsonst dein Element. |
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Attika, die Heldin, ist gefallen, |
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Wo die alten Göttersöhne ruhn, |
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Im Ruin der schönen Marmorhallen |
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Steht der Kranich einsam trauernd nun; |
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Lächelnd kehrt der holde Frühling wieder, |
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Doch er findet seine Brüder nie |
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In Ilissus heilgem Tale wieder - |
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Unter Schutt und Dornen schlummern sie. |
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Mich verlangt ins ferne Land hinüber |
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Nach Alcäus und Anakreon, |
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Und ich schlief im engen Hause lieber, |
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Bei den Heiligen in Marathon; |
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Ach! es sey die letzte meiner Thräne, |
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Die dem lieben Griechenlande rann, |
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Lasst, o Parzen, lasst die Schere tönen, |
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Denn mein Herz gehört den Todten an! |
Details zum Gedicht „Griechenland“
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1793
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Johann Christian Friedrich Hölderlin, ein deutscher Lyriker und Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Gedicht „Griechenland“ entstand wahrscheinlich in seiner späten Schaffensphase um die Jahrhundertwende.
Auf den ersten Blick fällt die emotionale Bindung des lyrischen Ichs an Griechenland auf, welches unter anderem durch die ausführliche Beschreibung der griechischen Landschaft und Kultur zum Ausdruck gebracht wird.
Inhaltlich ist das Gedicht eine leidenschaftliche Huldigung an Griechenland, das als Wiege der westlichen Kultur und des menschlichen Fortschritts betrachtet wird. Der Sprecher zeigt eine tiefe Sehnsucht nach Griechenland und malt Bilder seiner großen Vergangenheit mit Bezug auf historische Persönlichkeiten wie Plato, Marathon und Aspasia. Es ist nicht nur eine geografische Sehnsucht, sondern eine tiefere Sehnsucht nach den kulturellen und geistigen Werten, die Griechenland repräsentiert. Im Verlauf des Gedichts fühlen wir auch das Bedauern des Sprechers für den gegenwärtigen Zustand Griechenlands, das von seiner glorreichen Vergangenheit gefallen ist.
Im Einklang mit der Zeit Hölderlins sind die Form und Sprache von Klassizismus geprägt. Die Strophen sind regelmäßig strukturiert und der Reim folgt einem klaren Muster. Die Worte sind sorgfältig gewählt und spiegeln die Hochachtung und Bewunderung des lyrischen Ichs gegenüber Griechenland wider. Die Sprache ist emotional und bildreich, was zur Verstärkung der Botschaft des Gedichts beiträgt.
Insgesamt ist „Griechenland“ ein eindrucksvoller Ausdruck der Liebe und Hochachtung Hölderlins gegenüber Griechenland und seiner Kultur, sowie eine melancholische Betrachtung seiner Veränderungen und seines Verfalls. Es stellt Griechenland als symbolischen Ort dar, wo das Vergangene strahlt und das Gegenwärtige im Schatten steht, ein Ort, der von dem lyrischen Ich idealisiert und nostalgisch gesehen wird.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Griechenland“ des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. Geboren wurde Hölderlin im Jahr 1770 in Lauffen am Neckar. 1793 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Klassik zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 327 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Der Dichter Johann Christian Friedrich Hölderlin ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Deutschen“, „An die Parzen“ und „An die jungen Dichter“. Zum Autor des Gedichtes „Griechenland“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 181 Gedichte vor.
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