An Selmar von Susanne von Bandemer

Vergessen soll ich dich? Ist’s möglich, dich vergessen
Den einzig diese Seele denkt? –
Kannst du den tiefen Schmerz, die Herzensangst ermessen,
In der du grausam mich versenkt?
 
Schienst du nicht ganz für mich, und ich für dich geboren,
Beseelte uns nicht ein Gefühl?
Der Liebe ward kein Eid an dem Altar beschworen,
Denn ewig ist der Treue Ziel.
 
Die niedre Erde schwand, vor unsern trunknen Blicken
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Enthüllte sich ein Himmel mir;
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Ein süßes Vorgefühl von göttlichem Entzücken
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Der Seligen fand ich bey dir.
 
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Der Liebe Hochgefühl durchbebte mich am Throne
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Der Gottheit, wo ich niedersank:
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Ach! du war’st mein Gebet! dich heischt ich mir zum Lohne
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Des Lebens, in der Leiden Drang.
 
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An deiner treuen Brust, du Mann der Lieb’ und Schmerzen!
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Glaubt’ ich zu finden Trost und Ruh’;
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Und itzt reißt du dich los von diesem wunden Herzen,
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Dich lassen soll ich, forderst du!
 
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Unmöglich ist es mir, ich kann dich nie verlassen
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So lang’ in mir ein Puls sich regt:
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Vergessen kannst du mich, mich kränken und mich hassen;
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Die Liebe duldet, leidet, trägt.
 
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Dem schwachen Baume gleich, zerrissen von den Stürmen,
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Entwurzelt durch des Wassers Fluth,
 
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Sink’ ich, indessen sich aufs neue Wetter thürmen,
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In eine Nacht, wo alles ruht.
 
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Wo die Vergessenheit den Kelch mit Lethe füllet,
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Das Herz nicht blutet, Alles schweigt;
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Des Grabes Dunkelheit dies matte Aug’ umhüllet,
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Kein Gram die Seele niederbeugt.
 
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Dort harret einst mein Geist, wenn du dich spät entwunden
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Der Erde, dann noch liebend dein;
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Und unzertrennlich wird mein Geist mit dir verbunden
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Durch alle Ewigkeiten seyn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „An Selmar“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
259
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Selmar“ wurde von Susanne von Bandemer geschrieben, die zwischen 1751 und 1828 lebte. Sie war eine deutsche Dichterin und gehört zur Epoche der Spätaufklärung bzw. dem Übergang zur literarischen Strömung der Empfindsamkeit, die sich durch ein gesteigertes Interesse an den Emotionen und dem Innenleben der Menschen auszeichnete.

Von Bandemers Gedicht richtet sich an einen Geliebten namens Selmar. Die Dichterin drückt tiefe Emotionen aus, die geprägt sind von Leidenschaft und gleichzeitig von Schmerz; sie scheint dabei einen Liebesverlust zu beklagen. Sie fragt sich, ob sie Selmar vergessen kann und zugleich, ob er ihr Leid nachvollziehen kann. Sie erinnert an ihre tiefe Verbundenheit und Liebesbeziehung, die jedoch von Selmar beendet wurde. Trotz ihrer anhaltenden Liebe kann, oder will sie ihn nicht aufgeben.

Die Dichterin verwendet in ihrem Gedicht eine hochromantische Sprache, geprägt von starken und leidenschaftlichen emotionellen Ausdrücken. Sie verwendet Metaphern, um die Intensität ihrer Gefühle darzustellen, wie zum Beispiel das Vergessen, das sie mit einer Überflutung oder einem Sturm vergleicht, der einen Baum entwurzelt.

Die Struktur des Gedichtes ist durchgängig vierzeilig, mit Ausnahme von Strophe sieben und acht, die jeweils aus zwei Versen bestehen. Die Vier- und Zweizeiler sind in freien Rhythmen verfasst und enthalten keine einheitliches Reimschema, was der lyrischen Freiheit und der emotionalen Intensität des Gedichts entspricht.

Besonders bemerkenswert ist die starke emotionale Tiefe, die von Bandemer in ihrem Gedicht darstellt. Sie bringt das Verlangen und den Schmerz des lyrischen Ichs zum Ausdruck und weckt Empathie beim Leser. Mit ihrer empfindsamen Dichtung setzt sie damit eine deutliche Kontrapunkt zur rationalen und oft gefühlskalten Literatur der Aufklärung.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „An Selmar“ ist Susanne von Bandemer. Im Jahr 1751 wurde Bandemer in Berlin geboren. Im Jahr 1802 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 259 Worte. Die Dichterin Susanne von Bandemer ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Frau Sophie von La Roche“, „An G * * * g“ und „An Herzberg“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „An Selmar“ weitere 86 Gedichte vor.

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